Pendeln zwischen den Sprachen: Ein Interview mit Alexandra Titze-Grabec

Foto von Alexandra Titza-Grabec

Alexandra, wir kennen uns über die Kunstgeschichte, das Fach, das wir beide studiert haben. Du hast dann aber einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen und nach dem Studium der Kunstgeschichte noch ein Übersetzerstudium drangehängt. Wie kam das?

Ich war für meine Diplomarbeit in der Kunstgeschichte für ein halbes Jahr in Venedig und wollte danach irgendetwas machen, um mein frisch erworbenes Italienisch nicht gleich wieder zu vergessen. Also habe ich neben dem Job im Kunsthandel noch Übersetzen in den Sprachenkombinationen Englisch – Italienisch   studiert. Im Endeffekt hat sich die Kombination von Kunstgeschichte und Übersetzung als goldrichtig herausgestellt. Ich war zwar schon um gute zehn Jahre älter als meine StudienkollegInnen, hatte ihnen aber diese Jahre an Berufs- und Lebenserfahrung und vor allem an Spezialisierung voraus. Das ist in dem Beruf ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

 

2006 hast du dich selbstständig gemacht. Was waren deine Beweggründe dafür?


Ich war einige Jahre neben einer fixen Anstellung nebenbei selbstständig und habe erst letztes Jahr meine Teilzeitstelle im Bundesdenkmalamt gekündigt. Seitdem bin ich als Kunsthistorikerin – ich arbeite unter anderem an einem englischen Werkverzeichnis mit – und als Übersetzerin ausschließlich selbstständig. Was ich am selbstständigen Arbeiten am meisten schätze, ist die freie Zeiteinteilung, die Tatsache, dass ich mir meine Projekte selbst aussuchen kann und jeder Tag anders ausschaut. Ich bin ganz einfach gerne meine eigene Chefin.


Was sind deiner Ansicht nach die größten Schwierigkeiten bei der Selbstständigkeit?


Wenn man selbstständig sein möchte, sollte man gut organisiert sein, gerne kommunizieren und sich auch nicht davor scheuen, sich selbst und seine Leistung zu verkaufen. Es gibt weder geregelte Arbeitszeiten noch ein fixes Einkommen, was gerade am Anfang sehr schwierig sein kann. Auch die soziale Vereinsamung kann – gerade als Übersetzerin – ein Problem sein. Nicht jedem liegt es, den ganzen Tag alleine vor dem Computer zu sitzen. Ich muss mich manchmal wirklich zwingen, jeden Tag aus dem Haus und an die frische Luft zu gehen, weil man schon ein bisschen Gefahr läuft zu verlottern.


Wo liegen deine Arbeitsschwerpunkte? Und was sind die besonderen Herausforderungen dabei?


Meine Schwerpunkte liegen ganz klar im Bereich Kunstgeschichte, Kulturgeschichte, Design und Architektur. Ich arbeite in erster Linie für Verlage, Museen, Kulturinstitutionen und Universitäten und übersetze dabei ausschließlich ins Deutsche. Ich liebe es, mit der Sprache und ihren Nuancen zu spielen, die richtige Entsprechung für ein Wort, eine Phrase, einen Satz zu finden.

Es erfüllt mich mit großer Befriedigung, wenn ich das Gefühl habe, dem Originaltext und -autor entsprochen zu haben und verstanden zu haben, was er oder sie ausdrücken wollte. Gerade bei kunsthistorischen Texten, die oft unnötig kompliziert geschrieben sind, liegt die Herausforderung darin, dem deutschsprachigen Leser die Gedankengänge des Autors zu vermitteln, ohne dass er sich durch Satzungetüme und hochtrabende Verklausulierungen arbeiten muss.

Ein weiterer Schwerpunkt, der sich zufällig ergeben hat, ist das Übersetzen von Kochbüchern, was mir sehr viel Spaß macht. Das ist wieder eine ganze andere Textsorte mit völlig anderen Herausforderungen, wie fremden Maßeinheiten oder Fachbegriffen, die nicht ins Österreichische übersetzt werden dürfen – wir übersetzen ja zu 95% für den deutschen Markt.

Meiner großen Liebe, der Literaturübersetzung, fröne ich – noch – fast ausschließlich im stillen Kämmerlein und bei Wettbewerben. Das ist mein Projekt für die kommenden Jahre.


Auf der Website Textillerie sieht man, dass du mit anderen Übersetzerinnen eine Arbeitsgemeinschaft bildest. Wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? Warum habt ihr eine gemeinsame Website?

Eigentlich sind wir keine Arbeitsgemeinschaft, sondern ein Netzwerk. Wir kennen uns schon seit dem Studium, wir wissen, wie die anderen arbeiten und dass wir alle den gleichen Qualitätsanspruch haben.

Jede von uns vieren ist auf unterschiedliche Bereiche und Themengebiete spezialisiert und wir arbeiten nur vereinzelt an gemeinsamen Projekten. Wir bieten ein ganzes Spektrum an Sprachkombinationen an und empfehlen für Anfragen, die wir nicht selber abdecken können oder wollen, gerne KollegInnen, die dann auch uns wieder weiterempfehlen. Deshalb auch unser Slogan: Textillerie – übersetzt vernetzt.

Uns war es sehr wichtig, eine Plattform nach außen hin zu haben, einen Anlaufpunkt im Netz für potenzielle Kunden, einen Namen, unter dem wir Rechnungen stellen können, und ein Logo. Wir wollten auch gleich von Anfang an professionell auftreten und haben die Website deshalb von Profis gestalten lassen. Das kann ich wirklich nur jedem Selbstständigen raten, du hast ja in deinem letzten Newsletter auch schon darauf hingewiesen.


Mit einem geisteswissenschaftlichen Studium ist es oft schwer, eine fixe Anstellung zu finden. Das merken viele AbsolventInnen, trotzdem scheuen sie den Weg in die Selbstständigkeit. Hast du zum Schluss einen Tipp für alle, die gerade überlegen, sich selbstständig zu machen, aber noch ein wenig Angst vor dem letzten Schritt haben?

 

Hilfreich ist am Anfang schon noch das „Sicherheitsnetz“ eines fixen Einkommens in Form einer Teilzeitanstellung. Auch Interessensvertretungen, Berufsverbände oder KollegInnen, die bereits in dem Bereich arbeiten, den man anstrebt , können helfen.


Drei wichtige Faktoren, wenn man erfolgreich selbstständig sein möchte, sind für mich: eine Spezialisierung (wobei sich die oft erst im Laufe des Arbeitens ergibt), von Anfang an finanzielle Rücklagen bilden, denn 50% der Einnahmen gehen letztendlich ans Finanzamt und die SVA (Kranken-, Unfalll- und Pensionsversicherung) und vor allem ein Netzwerk. Wenn man mit Leidenschaft hinter dem steht, was man tut, und darin gut ist, dann wird man auch mit einem sogenannten „Orchideenstudium“ Erfolg haben.