Ein Lektorat für deine Uni-Arbeit: Ja oder nein?

Eine Entscheidungshilfe, wenn du gerade überlegst, ob du deine Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation lektorieren lassen sollst

Unlängst habe ich auf meinem Instagram-Account gefragt, ob meine Followerinnen und Follower ihre Uni-Arbeit ins Lektorat geben werden. Auf die (natürlich keineswegs repräsentative) Umfrage haben 39 Prozent mit „Weiß noch nicht“ geantwortet. Falls du zu denjenigen zählst, die noch nicht genau wissen, ob sie ihre Uni-Arbeit lektorieren lassen sollen, habe ich heute hier ein paar Gedanken als Entscheidungshilfe für dich.

 

Am Ende wird’s dann noch ein wenig persönlich. Ich verrate dir unter anderem, ob ich meine Abschlussarbeiten habe lektorieren lassen.

Bezeichnet: Lektorat für deine Uni-Arbeit: Ja oder nein. Entscheidungshilfe. Und Ergebnis der Instagram-Umfrage.

 

In der Schreibwerkstatt bekommen wir übrigens vor allem Anfragen für Bachelorarbeiten, Masterarbeiten und Doktorarbeiten. Hausarbeiten landen nur selten bei uns.

 

Mit „wir“ sind übrigens meine beiden Lektorinnen gemeint. Doreen und Irene gehören seit vielen Jahren zu meinem Team; die beiden sind auf Wissenschaftslektorate spezialisiert und wirklich gut (einen Überblick über unser gesamtes Leistungsspektrum findest du hier). Doreen hat als Lektorin auch meine 1000 Seiten starke Publikation über den Barockbaumeister Jakob Prandtauer begleitet, mit der ich 2021 den Wissenschaftspreis des Landes Niederösterreich gewonnen habe. 

 

Nun aber meine Entscheidungshilfe für dich!

 

Entscheidungshilfe für oder gegen ein Lektorat

Du brauchst kein Lektorat für deine Uni-Arbeit, wenn ...

  • du flüssig oder zumindest einigermaßen flüssig formulierst.
  • deine Sätze die richtige Länge haben, sodass dir deine Leserinnen und Leser gut folgen können.
  • du sattelfest in Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung bist.
  • du weißt, wie man stringent gendert.
  • du keine Schwierigkeiten hast, auf eine einheitliche Zitation zu achten.
  • du alle Literaturangaben einschließlich Quellenverzeichnis durchgehend nach den Vorgaben deiner Uni bzw. Hochschule gemacht und auch deren Einheitlichkeit im Blick hast.
  • du keine Angst hast, dass du betriebsblind bist. 
  • du das Gefühl hast, dass deine Arbeit einen roten Faden hat und niemand sonst noch über deinen Text schauen sollte.
  • du selbst Adleraugen besitzt und dir Fehler leicht auffallen.
  • du Freunde, eine Partnerin oder einen Partner oder Familienmitglieder hast, die das Korrekturlesen übernehmen.

 

Ein Lektorat könnte für dich sinnvoll sein, wenn ...

  • du am Ende einfach keinen Nerv mehr hast, deine Uni-Arbeit noch weitere Male Korrektur zu lesen, und sie lieber einem Profi überlassen möchtest.
  • du Schwierigkeiten mit Rechtschreibung und Grammatik hast.
  • du zu Schachtel- oder Mammutsätzen tendierst.
  • du mit der Kommasatzung auf Kriegsfuß stehst.
  • du deine Arbeit nicht gegendert hast, obwohl deine Hochschule das vorschreibt.
  • deine Zitation nicht zu einhundert Prozent einheitlich ist.
  • du Zweifel hast, dass deine Literatur- und Quellenangaben sich einheitlich durch die gesamte Arbeit ziehen.
  • du dir nicht ganz sicher bist, ob der rote Faden passt.
  • du niemandem in deinem Umfeld mit dem Korrekturlesen betrauen kannst oder möchtest.
  • du dich nicht auf ein KI-Tool verlassen willst.

 

Apropos künstliche Intelligenz: KI-Tools bekommen tatsächlich ein ganz passables Korrektorat hin. Das bedeutet: Sie können einigermaßen zuverlässig Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung korrigieren, mehr aber auch nicht.

 

Notenrelevanz und die finanzielle Seite eines Lektorats

Ja, ein Lektorat kann dafür sorgen, dass du eine bessere Note bekommst. Das ist mir und meinen beiden Lektorinnen bewusst. Und da nicht jede/-r die finanziellen Mittel hat, um ihre/seine Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation Korrektur lesen zu lassen, ist damit auch eine gewisse Ungerechtigkeit gegeben. Auch das ist uns in der Schreibwerkstatt bewusst.

 

Habe ich meine eigenen Uni-Arbeiten lektorieren lassen?

Wie du vielleicht weißt, habe ich zwei Studien abgeschlossen und promoviert. Meine kunsthistorische Diplomarbeit (heute: Masterarbeit) haben damals zwei Freundinnen gelesen, beide sind später Lektorinnen geworden. :)

 

Meine BWL-Diplomarbeit habe ich niemanden lesen lassen, wenn ich mich jetzt richtig erinnere.

 

Und als es um die Abgabe meiner Dissertation ging, war für ein Lektorat überhaupt keine Zeit. Ich war extrem unter Druck, weil es um die Verlängerung meiner Assistentenstelle an der Uni Wien ging, für die ich die Promotion in einem bestimmten Zeitraum abschließen musste.

 

Glück im Unglück, dass ich immer schon flüssig formuliert habe und auch recht fit in Sachen Rechtschreibung und Grammatik war. Die Betonung liegt auf recht.

 

Seitdem ich die Schreibwerkstatt gegründet und zwei Lektorinnen in meinem Team habe, hat sich mein Blick auf das Thema noch einmal verändert. Die beiden spielen wirklich in einer anderen Liga. Und sie haben unfassbar viel Geduld. Es ist gut, dass sie das Lektorat besorgen und nicht ich.

 

Würde ich heute meine Masterarbeit oder Dissertation ins Lektorat geben?

Wenn ich die finanziellen Mittel hätte, auf jeden Fall. Ein Lektorat zahlt sich immer aus und reduziert auch den extremen Stress, den es am Ende gibt. Es fühlt sich für mich auch heute einfach gut an, wenn ich einen Text ins Lektorat gegeben habe. Ich kann dann durchschnaufen, weil ich weiß: Meine Lektorin kümmert sich um Rechtschreib-, Komma- und Grammatikfehler und achtet auch darauf, dass sich der Text gut liest. Denn auch wenn ich sehr flüssig und leserorientiert schreibe, gibt es doch immer noch etwas zu polieren.

 

Das war auch bei diesem Blogartikel so!