Wie du mit der unfreundlichen Stimme umgehen kannst, die sich oft beim Schreiben einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation meldet.

Wenn wir beim Schreiben feststecken, liegt das häufig an einem Mix aus Zeitdruck, fehlender Erfahrung und Überforderung. Und dann gibt es da oft noch diese hartnäckigen, manchmal richtig destruktiven Gedanken, die Ausdruck unserer Glaubenssätze sind. Diese Glaubenssätze sind die Stimme unseres inneren Kritikers. Sie beeinflussen unser Selbstbild, unsere Motivation und unser Wohlbefinden – und können uns ganz schön ausbremsen.
Bevor ich dir zeige, wie du mit deinem inneren Kritiker umgehen kannst, hier noch der kurze Hinweis, dass der Kritiker natürlich auch weiblich, also eine Kritikerin sein kann.
Unser innerer Kritiker kann uns richtig zermürben!
Stell dir einmal vor, du wärst Trainer/-in eines Teams – sagen wir einer Handballmannschaft (ich habe jahrelang Handball gespielt 😊) – und du würdest deinem Team vor dem Match sagen:
🏀 Ihr schafft das so und so nicht.
🏀 Die anderen sind viel besser als ihr.
🏀 Ihr seid nicht gut genug.
🏀 Ihr habt viel zu wenig trainiert, um heute zu gewinnen.
🏀 So wie ihr beisammen seid, wird das nichts.
Wie würde dein Team spielen?
...
Genau.
Und genauso wenig funktioniert es, wenn du so mit dir selbst redest – und gleichzeitig erwartest, produktiv und zuversichtlich an deinem wissenschaftlichen Textprojekt zu schreiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um eine Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation geht. Jedes Projekt ist herausfordernd.
Die gute Nachricht: Die Stimme des inneren Kritikers ist veränderbar.
Kurzum: Es gibt Hilfe! 🛟
HILFE, wenn sich der innere Kritiker bei der Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation meldet
Schritt 1: Höre hin, was du dir erzählst.
Der erste Schritt ist: zuhören. Was erzählst du dir täglich? Welche Sätze kehren immer wieder? Es kann hilfreich sein, wenn du dir diese Sätze ein paar Tage lang notierst. Lies sie dir auch einmal laut vor. Und dann spüre nach: Wie fühlen sich diese Sätze an? Kannst du sie in deinem Körper spüren? Unterstützen sie dich – oder ziehen sie Energie?
Schritt 2: Verstehe, woher die Stimme des inneren Kritikers kommt.
Unsere unfreundliche Stimme ist meistens eine alte. Sie hat sich über viele Jahre hinweg gebildet: vielleicht in der Kindheit im Elternhaus, vielleicht durch schulische Erfahrungen, durch Vergleiche mit anderen, durch Leistungsdruck oder überhöhte Erwartungen.
Solche Stimmen verändern sich nicht einfach durch „positives Denken“.
Sie sind oft tief eingebrannt und zeigen sich besonders dann, wenn wir uns unsicher fühlen oder vor großen Aufgaben stehen – wie eben beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit.
„Tief eingebrannt“ bedeutet übrigens, dass den Glaubenssätzen neuronale Netzwerke in unserem Gehirn entsprechen, und die lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen verändern.
Schritt 3: Nimm wahr, dass diese Stimme nur ein Teil von dir ist.
Diese Stimme ist nicht alles, was du bist. Sie ist ein Teil von dir – ein Teil, der sich vor allem dann meldet, wenn du unter Druck stehst und leisten möchtest.
Um Abstand zu schaffen von dieser harten, kritischen Stimme, können Sätze wie diese hilfreich sein:
💛 Ein Teil von mir denkt gerade: Ich schaffe das nicht.
💛 Da ist wieder diese kritische Stimme – meine innere Kritikerin, die meint, meine Uni-Arbeit kann so einfach nicht gut genug sein.
💛 Ein Teil von mir macht mir das Leben schwer, weil er sagt, ich bin die Einzige, die so langsam beim Schreiben ist.
Die Worte „Ein Teil“ sind dabei ganz essenziell.
Sie schaffen Distanz und du kommst leichter raus aus der Identifikation mit dem kritischen Anteil.
Schritt 4: Was steckt noch alles in dir? Welche Anteile gibt es noch?
Wir alle haben viele Seiten bzw. Anteile: unsichere und ängstliche genauso wie mutige, strukturierte, kreative oder neugierige. Du und auch ich.
Mach dir diese Vielfalt immer wieder bewusst. Du kannst dir zum Beispiel aufschreiben, welche Anteile du in dir wahrnimmst – und dabei bewusst auch auf deine starken, lebendigen, humorvollen oder zuverlässigen Seiten achten.
So kannst du sehen, was du alles bist und kannst.
Schritt 5: Kultiviere deine freundliche Stimme! ☀️
Vielleicht der wichtigste Schritt: Fang an, anders mit dir zu sprechen, wie mit einer guten Freundin oder einem guten Freund.
Das könnte zum Beispiel so klingen:
💚 Das Thema ist herausfordernd – es ist völlig okay, dass du gerade kämpfst.
💚 Heute war kein guter Schreibtag. Morgen versuchst du’s noch mal.
💚 Ich darf Fehler machen. Ich darf Pausen machen. Ich darf mir Hilfe holen.
💚 Kein Wunder, dass du heute nicht weitergekommen bist. Du bist einfach megamüde, weil im Job so viel los ist.
Wichtig: Es geht um echte Selbstzuwendung.
Freundlich zu sein mit dir, ohne dich kleinzureden oder schönzureden, was gerade schwer ist.
Und was bringt das im Hinblick auf den inneren Kritiker?
Wenn du diese Haltung kultivierst – nach und nach, Schritt für Schritt –, wirst du Veränderungen bemerken:
✨ Du gehst milder mit dir um.
✨ Du machst dir weniger Druck.
✨ Du findest eher wieder in den Schreibfluss.
✨ Du kommst besser durch herausfordernde Phasen.
Zugang zu unseren verschiedenen Anteilen zu finden, ist ein Prozess. Aber es lohnt sich. Denn wie du mit dir sprichst, macht einen Unterschied – nicht nur beim Schreiben.
Und wenn du Lust hast, schau dir dieses Video von Woltemade Hartman an (es ist das erste Video einer Serie). Falls dich das Thema interessiert, kannst du auch mal nach „Anteilearbeit“ und/oder „Ego-State-Therapie“ googeln.
Hab es fein und sorge gut für dich!
Abbildungsnachweis: Shutterstock, Stock-Foto ID: 360842699, Antonio Guillem