Buchtipp: Mia will's wissen. Wo kommt denn das Pipi her?

Ein Buch für Kinder und Erwachsene

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Alle Infos dazu findest du hier!

 

Die beiden Physiotherapeutinnen Aylin Knapp und Elisabeth Toth haben ein Buch geschrieben, das Kindern ab zwei Jahren helfen kann, einen guten Zugang zu ihrem Körper zu finden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wo denn eigentlich das Pipi herkommt, und das sowohl bei Buben als auch bei Mädchen. 

Wir haben dieses im Vermes-Verlag erschienene Kinderbuch lektoriert. Der Zugang zu dem Thema sowie Text und Zeichnungen hatten mich sofort begeistert, sodass ich Aylin und Lissy zu einem Interview eingeladen habe. Wir haben natürlich über die Entstehung des Buches gesprochen, aber auch über die spannende Frage, warum viele Frauen ihre Vulva noch nie mit dem Spiegel angeschaut haben.

Liebe Aylin, liebe Lissy, zunächst möchte ich euch gern fragen, an wen sich das Buch wendet und worum es genau geht. Als ich die Anfrage vom Vermes-Verlag für das Lektorat bekommen habe, war ich einfach sofort begeistert von eurem Buch!

Aylin: Unser Buch wendet sich an Kinder ab zwei Jahren und an Erwachsene gleichermaßen. Erwachsenen kann es helfen, den Kleinen die Anatomie ihres Körpers näherzubringen, den Ablauf auf der Toilette zu zeigen oder auch spielerisch Gesundheits- und Ernährungstipps (Trinkmenge, Urinfarbe, Sitzposition beim Pipimachen etc.) zu vermitteln.

 

Und es ist wunderbar auch für Kinder geeignet, die ihren Eltern Löcher in den Bauch fragen und wissen wollen, wie ihr Körper funktioniert, die lernen, selbstständig zu sein, gerade die Sauberkeitsentwicklung erleben und mit ihren Eltern gemeinsam Sauberkeitserziehung machen. 

 

Lissy: Das Buch soll auf längere Zeit und auf vielen Ebenen rezipiert werden. Zum Beispiel können die Großen wie die Kleinen nur die Bilder anschauen – allein oder auch zusammen – und sich dabei den eigenen Körper bewusst machen. Oder die Großen können ihren Kleinen die lustigen Reime vorlesen. All das immer wieder und immer wieder neu.

 

So merke ich zum Beispiel bei meiner dreijährigen Tochter, dass sie im Alltag reflektiert, was sie sich aus dem Buch schon gemerkt hat, und da kommen ständig Dinge dazu. Sie lernt beim Anschauen oder wenn ich es ihr vorlese, immer wieder Neues. Es ist schön, das zu sehen! 

 

Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden? Wie habt ihr den Verlag gefunden? Warum habt ihr euch für den Vermes-Verlag entschieden?

Aylin: Die Idee hatte eigentlich Lissy. Als sie mich angerufen und gefragt hat, ob ich mit ihr ein Kinderbuch schreiben will, bin ich gerade auf meiner Terrasse gesessen und war beim Endspurt mit meinem Elternratgeber Trocken werden für Schulkinder. Ein Kinderbuch über Blase und Darm und die verschiedenen Probleme in diesem Zusammenhang stand schon länger auf meiner Ideenliste und so habe ich bei Lissys Anfrage wirklich gejubelt! Denn: Lissy hat nicht nur gute Ideen, sondern sie kann auch zeichnen! 

 

Zum Vermes-Verlag sind wir über eine persönliche Empfehlung gekommen. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir ihn für unser Vorhaben begeistern konnten.

 

 

Lissy: Im Unterschied zu Aylin, die mit Kindern arbeitet, behandle ich ausschließlich Frauen. Seit dem Beginn meiner beruflichen Spezialisierung im Bereich der Urogynäkologie musste ich laufend feststellen, dass viele Frauen wenig über die Funktionen ihres Körpers wissen. Der eigene Genitalbereich und das Thema Ausscheidung sind zudem oft sehr schambehaftet.

 

Zuallererst habe ich mit diesem Buch ein ganz persönliches Anliegen verbunden, nämlich meinen beiden Töchtern die Scham zu nehmen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sie sind drei und neun und ich malte mir aus, wie ich ihnen den Körper und seine wundervollen, sinnvollen Funktionen so erklären würde, wie sie tatsächlich sind. 

 

Ich habe also Aylin gefragt, ob sie mit mir ein Buch dazu machen möchte. Dass sie bereits Bücher veröffentlicht und in dem Bereich schon Erfahrung hatte, kam uns dabei sehr entgegen.

 

Schon nach ein paar Recherchen haben wir gesehen, dass so ein „Pipi-Buch“ auf dem Markt fehlt. Wir fanden nirgends kindgerecht erklärt, warum überhaupt Urin herauskommt und die Windel nass wird und dass das alles einen Sinn hat für den Körper. 

 

Aylin und ich haben uns übrigens während des Studiums der Physiotherapie in Graz kennengelernt und in den ersten beiden Jahren immer wieder gemeinsam gelernt. Daher wussten wir schon, dass wir ein gutes Team sind.

 

Sag, wie kommt es, dass du, Lissy, so gut zeichnen kannst?

Kreativität ist meine Leidenschaft und Zeichnen ist schon immer ein großer Teil meines Lebens. Das digitale Zeichnen am iPad hab ich mir dann in den vergangenen zwei Jahren selbst beigebracht.

 

Aylin hat durch ihre Arbeit mit Kindern ein sehr praxisnahes Wissen und konnte so das inhaltliche Konzept für das Buch entwickeln. Das Fachwissen dann in Reime und Bilder zu übersetzen, habe ich übernommen.


Es war eine Herausforderung, aber auch gleichzeitig ein toller Prozess, die kleine Mia zum Leben zu erwecken und Situationen und Bilder zu erschaffen, die den Kindern das Wissen einfach, aber auch lustig näherbringen.
 

 

Ich nutze das Zeichnen auch bei der Gestaltung von Übungskarten, anatomischen Erklärungen usw. für meine Patientinnen. Ich kann mit meinen eigenen Zeichnungen einfach genau das vermitteln, worum es mir geht.

 

Was sind typische Probleme, mit denen sich Menschen an dich wenden, Aylin? Welche Fragen haben sie?

Es geht um alle möglichen körperlichen Probleme und Erkrankungen vom Säuglingsalter bis zur Jugendzeit. Überwiegend kommen Eltern zu mir, deren Kinder mit Verstopfung oder Harninkontinenz zu tun haben. Auch Bettnässen und angeborene Erkrankungen des Verdauungstraktes oder der Ausscheidungsorgane sind wichtige Themen in meiner Praxis.  

 

 

Typische Fragen dabei sind: Warum wird die Hose bzw. das Bett meines Kindes immer wieder nass? Warum bemerkt mein Kind einfach nicht, dass es aufs Klo muss, obwohl ich fünf Minuten vorher gefragt habe?

 

 

Und wie ist das in deiner Praxis, Lissy? Womit kommen Menschen zu dir?

Ich bin im Bereich der Frauengesundheit tätig. Hauptsächlich arbeite ich mit Frauen in und um die Schwangerschaft und mit den damit verbundenen körperlichen Symptomen: Rückbildung, zyklusabhängige Beschwerdebilder, Kontinenzprobleme, Schmerzen bzw. Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, körperliche Herausforderungen im Alltag als Mutter und vieles mehr. 

 

Welche Rolle spielt Scham in deiner Arbeit, Aylin?

Ein großer Punkt in meiner Arbeit ist das Erklären, wie der Körper funktioniert und was bei dem Kind, das ich gerade vor mir habe, anders läuft. Je nach Alter und Erziehung werden in den Familien oft Ersatzwörter verwendet.

 

Manchen Eltern und Kindern ist das Sprechen über den Genitalbereich sehr unangenehm. Wenn es dann auch noch um Probleme geht, werden vor allem die größeren Kinder und Jugendlichen sehr wortkarg.

 

Wenn sie bereits Erlebnisse hatten, wo andere sie ausgelacht haben, oder allein der Gedanke an eine nasse Hose oder ein nasses Bett vor Freunden unangenehm ist, wird es besonders wichtig, als Gegenüber eine offene, nicht schambehaftete Sprache zu wählen. Das geht für mich gut mit anatomischen Begriffen, weil es damit ein medizinisches Gespräch bleibt. So entsteht ein wenig Distanz zur emotionalen Situation und es wird von Termin zu Termin für die Kinder und auch für ihre Eltern leichter.

 

Und wie ist das in deinem Praxisalltag, Elisabeth?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen teilweise noch nie mit jemandem so offen sprechen konnten wie in der Physiotherapie. Häufig ist es dann eine große Erleichterung, wenn ihnen die Scham genommen wird und sie merken, dass man die Dinge einfach beim Namen nennen darf und soll.

 

Ich habe übrigens zehn Jahre auf der Psychiatrie in Graz als Physiotherapeutin gearbeitet und daher viel Erfahrung im Umgang mit Menschen, die Traumata erlitten haben. Auch in der täglichen Arbeit mit Müttern ist es mir sehr wichtig, den Menschen als Ganzes zu sehen, die Psyche darf in so einer sensiblen Zeit wie der Schwangerschaft und nach der Geburt nie außer Acht gelassen werden. 

 

Viele Frauen haben ihre Vagina noch nie im Spiegel betrachtet. Warum eigentlich? Ich würde nämlich meinen, dass auch viele Erwachsene auf die Frage, woher das Pipi kommt, keine Antwort haben. Was denkst du dazu, Aylin?

Es gibt noch immer viele Frauen, die das Wort „Vulva“ nicht kennen oder nicht wissen, dass dieser Begriff einen Körperteil beschreibt. Jüngere Eltern vielleicht schon eher, aber auch die meisten Schulbücher verwenden diesen Begriff nicht.

 

Genauso wie die anatomischen Begriffe leider nicht richtig vermittelt werden. Die meisten Betreuungspersonen sagen: Buben haben einen Penis, Mädchen eine Scheide. Das ist im Grunde nicht falsch, aber es sorgt bei Erwachsenen und Kindern für einige Missverständnisse. Bei Mädchen kommt der Harn eben nicht aus der Scheide und der Kitzler ist weit mehr als nur ein Punkt oberhalb der Harnröhre.

 

Körperaufklärung ist für Groß und Klein wirklich wichtig und mit unserem Buch möchten wir dazu einen Beitrag leisten.

 

Im Verwandtenkreis wurde ich übrigens einmal sehr deutlich darauf hingewiesen, dass ich meinen Kindern doch bitte nicht das Wort „Vulva“ beibringen soll, weil das niemand sage. Das klärende Gespräch, dass ich die Vulva und nicht die Vagina (Scheide) meine, hat dann zu wirklich erstaunten Gesichtern geführt, weil fast niemand die Form und Position der Klitoris kennt oder das Wort „Schamlippen“ mit „Vulvalippen“ ersetzt wurde.

 

Es hilft Frauen unheimlich, wenn sie wissen, wie ihre Vulva aussieht. Daher zeigen wir in unserem Buch auch die Vulva und keine vereinfachte Darstellung einer Scheide. Und da geht es überhaupt nicht um sexuelle Aufklärung, sondern um die Anatomie und die Wege der lebenswichtigen Körperausscheidungen.

 

Wie das Pipi in die Blase kommt, ist für Menschen häufig auch ein Mysterium, weil oftmals einfach nur die Nieren und die Blase gezeigt werden, aber wie es genau da hineinkommt, eben nicht.

 

Beim Darm ist es für viele Kinder und Eltern deutlich verständlicher, weil der Mund und der Anus ja direkt miteinander verbunden sind. Mit unserem Buch möchten wir auf sympathische Weise Aufklärungsarbeit leisten. 

 

Huberta: Liebe Aylin, liebe Lissy, vielen Dank für dieses feine Interview! Ich wünsche euch viel Erfolg mit dem Buch, seinen Reimen und süßen Zeichnungen.

 

Mia wills's wissen

Wo kommt denn das Pipi her?

Elisabeth Toth, Aylin Knapp

Ein Bilderbuch für Kinder ab zwei Jahren 

36 Seiten, Hardcover, 210 x 210 mm

€ 14,–

Infos auf der Website des Vermes-Verlags

 

Über die beiden Autorinnen

Elisabeth Toth ist medizinische Masseurin und Physiotherapeutin. Die Mutter von zwei Töchtern arbeitet in Graz und Umgebung. Nach zehn Jahren Tätigkeit im Krankenhaus hat sie sich selbstständig gemacht und auf Frauengesundheit spezialisiert.

 

2021 hat sie Mamingo, mobile Physiotherapie für Frauen, gegründet. Vor allem die Unterstützung von Müttern zu Hause, in und um die Schwangerschaft und Geburt ist ihr ein großes Anliegen. Ruhe und Ausgleich findet sie in kreativen Prozessen sowie bei Bewegung in der Natur.

 

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Aylin Knapp ist Kinderphysiotherapeutin und arbeitet vorwiegend mit Kindern, die Probleme und Herausforderungen mit dem Thema Beckenboden und Körperausscheidungen haben. In ihrer Praxis in Heiligenkreuz am Waasen und in Leibnitz (Steiermark) betreut sie Kinder vom Baby- bis zum Jugendalter, die mit Verstopfung oder nassen Hosen sowie sonstigen körperlichen Beschwerden kämpfen, die dazugehören.

 

Weil Bettnässen ein großes Tabuthema ist, hat sie im Sommer 2022 einen Elternratgeber dazu veröffentlicht: „Trocken werden für Schulkinder. Hilfe für Eltern, deren Kinder bettnässen“.

 

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Wenn du ein qualitätvolles Lektorat oder Korrektorat suchst und dir Präzision sowie sprachliches Feingefühl wichtig sind, bist du in der Schreibwerkstatt richtig. Wir lektorieren unter anderem Belletristik, Kinderbücher, Kochbücher, Marketingtexte und Uni-Arbeiten.

 

Allgemeine Informationen zum Lektorat

Kinderbuchlektorat

 

 

Veröffentlicht am 22.9.2023. 

 

Abbildungsnachweis:

Foto von Aylin Knapp: Dagmar Leis | Foto von Elisabeth Toth: Marco Toth | Alle Zeichnungen: Elisabeth Toth