"Wir lernen jetzt schwimmen!"

Stiege Schwimmbad

 

"Wir lernen jetzt schwimmen!" Diese Worte eines Vaters, der gerade seinen kleinen Sohn an der Hand hielt und mit einem Freund sprach, haben mich gestern zusammenzucken lassen.

Erst nach kurzem Nachdenken ist mir klar geworden, warum ich so reagiert habe: Es war dieses vereinnahmende Wir. Der Vater konnte ja sicherlich schon schwimmen, er war nur gerade dabei, das Schwimmen seinem Sohn beizubringen. Und das betrachtete er offenbar ganz und gar als sein Projekt.

Als vereinnahmend empfinde ich es übrigens auch, wenn Menschen für einen anderen Menschen sprechen. Ich erlebe das bei Eltern, die eine an ihr Kind gerichtete Frage voreilig selbst beantworten, bei Paaren, aber auch bei älteren Menschen, denen jüngere Menschen mit der Antwort zuvorkommen. 

 

Den Gipfel einer vereinnahmenden bzw. übergriffigen Kommunikation habe ich heute im Supermarkt erlebt: Ein älterer Herr stand bei der Kasse und kam mit den Euroscheinen bzw. Euromünzen nicht zurecht. Etwas hilflos sah er die Dame bei der Kasse an, die kurzerhand erklärte: "Warte, ich mache das für Dich!"

 

Fazit: Anerkennen wir doch auch sprachlich die Leistung von Kindern, und zwar selbst dann, wenn wir Erwachsenen sie etwas lehren. Lassen wir andere Menschen für sich sprechen, wenn sie selbst dazu in der Lage sind. Und respektieren wir, dass das Du in der deutschen Sprache immer noch in vielen Situationen unangebracht ist. Mit dem Du kann eine bestimmte Grenze überschritten werden – die Grenze zwischen Respekt und Respektlosigkeit.

Abbildungsnachweis:
Shutterstock.com: 
Bildnummer: 113411650, Urheberrecht: Marso