Die Sache mit der zitierfähigen Literatur ...

bunter Bücherstapel

Was ist zitierfähige Literatur? Was darf ich zitieren? Diese Fragen beschäftigen viele Studenten. Es gibt sogar Lehrende, die Publikationen auf einem Papier auflisten, und die Studenten müssen dann herausfinden, was davon zitierfähig ist.

 

Ich selbst halte von solchen Übungen nichts. Ja, ich halte sogar die Unterscheidung zwischen zitierfähiger und nichtzitierfähiger Literatur für sinnlos. Als Autorin eines wissenschaftlichen Textes verwende ich persönlich jede Form von Literatur, die ich für meine Arbeit (und da im Speziellen für meine Argumentation) brauche. Ein unwissenschaftlicher Text, also zum Beispiel ein Artikel in einer Tageszeitung, kann mir durchaus als Aufhänger für einen Gedanken dienen. Für die Detailargumentation werde ich aber natürlich wissenschaftliche Arbeiten heranziehen. Und damit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt, nämlich dem Beleg.

Warum die Primärliteratur bzw. Primärquelle so wichtig ist

Sie dürfen in einer wissenschaftlichen Arbeit unwissenschaftliche Publikationen nicht als Beleg heranziehen. Wenn Sie wichtige Daten, Fakten oder Erkenntnisse belegen wollen, dann müssen Sie die Primärliteratur bzw. -quelle heranziehen. Sie machen damit deutlich, wer was zum ersten Mal gesagt hat, sie anerkennen damit aber auch die Forschungsleistung eines Autors und sorgen für Transparenz. Schließlich können Sie nur dann sicher sein, dass Sie Ergebnisse unverfälscht lesen, wenn Sie an die Wurzel gehen, also die Primärliteratur bzw. Primärquelle einsehen.

Vier Beispiele, damit Sie besser verstehen, was ich meine

1. Statistische Zahlen zur österreichischen Wirtschaft entnehmen Sie nicht der Tagespresse, sondern schauen in die Publikationen der "Statistik Austria" (früher: Statistisches Zentralamt). Das heißt, Sie greifen auf die Primärquelle zurück.


2. Für die Abklärung der Frage, wie denn die Karlskirche in Wien ausgesehen hat, als Johann Bernhard Fischer von Erlach gestorben und sein Sohn Joseph Emanuel die Bauleitung übernommen hat, ziehen sie nicht den Kirchenführer, sondern die einschlägige Fachliteratur heran (zum Beispiel die Monografien zu den beiden Künstlern). Anders verhält sich die Sache, wenn in dem Kirchenführer neue Überlegungen zum Anteil der beiden Architekten an dem Kirchenbau angestellt werden. Dann ist der Kirchenführer Ihre Primärliteratur, die Sie verwenden müssen

3. Wenn Sie Psychologie studieren und den Begriff "Erschöpfungsdepression" definieren wollen, greifen Sie weder auf Wikipedia noch auf ein populärwissenschaftliches Psychologielexikon, sondern ebenfalls auf die einschlägigen Publikationen des Fachs zurück. Sie werden dabei übrigens schnell feststellen, dass gerade Begriffsdefinitionen in der Wissenschaft oft sehr komplex und keineswegs einheitlich sind. 

 

4. Sie befassen sich mit Schiller und stoßen bei Ihren Recherchen auf eine unpublizierte Masterarbeit, die sich mit ähnlichen Fragen wie Sie befasst. Natürlich können Sie diese Arbeit heranziehen und auch zitieren. Dort, wo der Autor allerdings selbst auf fremde Literatur zurückgreift, müssen auch Sie diese Literatur einsehen, sofern Sie ein Kernthema Ihrer Arbeit betrifft. Hat der Autor hingegen neue Ergebnisse zu Schiller, dann ist die Masterarbeit absolut zitierfähig.

Wenn also manche Lehrende unpublizierte Masterarbeiten oder Dissertationen als nichtzitierfähig einstufen, dann schließen sie einen Literaturtyp voreilig und zu Unrecht von vornherein aus. In Österreich müssen Dissertationen übrigens nicht publiziert werden, und sie beinhalten natürlich in der Regel zahlreiche neue Ergebnisse.

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