Künstliche Intelligenz an den Hochschulen
Wie viele Studierende nutzen KI? Welche Bedenken haben sie? Was erwarten sie von ihren Hochschulen? Über einen Beitrag von Christian Spannagel, Professor an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, auf X (ehemals Twitter) bin ich auf die Masterarbeit von Laura Marie Hahn aufmerksam geworden, die sich mit genau diesen Fragen beschäftigt.
In diesem Beitrag findest du die wichtigsten Ergebnisse und natürlich auch den Link zu Laura Marie Hahns Arbeit. Am Ende möchte ich dann noch ein paar Gedanken samt Tipps mit dir teilen.

Das genaue Thema und die Rahmenbedingungen der Masterarbeit
Laura Marie Hahn hat eine quantitative Online-Umfrage mit 4000 Studierenden gemacht. Der Großteil der Befragten war zwischen 18 und 29 Jahre alt, studiert ein MINT-Fach und war auf dem Weg zum Bachelor; es haben etwa gleich viele Frauen wie Männer teilgenommen (Hahn 2024, 20).
Laura Marie Hahn
Künstliche Intelligenz in der Hochschullehre
Ergebnisse und Erkenntnisse aus einer Umfrage unter deutschen Studierenden im Jahr 2024
Erstes Gutachten: Prof. Nina Grünberger Ph.D.
Zweites Gutachten: Prof. Dr. Christian Spannagel
Die Schwerpunkte der Umfrage lagen auf der Nutzungshäufigkeit, dem Wissensstand zu KI, den Bedenken und den Chancen von KI. Auch der Frage, was sich Studierende eigentlich von ihren Hochschulen im Hinblick auf KI erwarten, ist Laura Marie Hahn nachgegangen (Hahn 2024, V).
Spannende Fragen, wie ich finde!
Und jetzt erst mal eine kurze Randnotiz, falls du dich gerade wunderst ...
Falls du ebenfalls quantitativ arbeitest und Schwierigkeiten hast, genügend Antworten auf deinen Fragebogen zu bekommen, fragst du dich vielleicht, wie Laura Marie Hahn 4000 (!) Studierende für ihre Umfrage gewinnen konnte. Ganz einfach: Ihr Zweitgutachter Christian Spannagel mit einer großen Reichweite auf Social Media hat die Umfrage auf seinen Profilen geteilt.
Was denken Studierende über die Nutzung von ChatGPT & Co. im Studium? Und: Wie viele Studierende nutzen überhaupt KI?
1. KI ist (noch) kein Alltagstool für Studierende im Hochschulkontext.
Ich war wirklich überrascht, als ich gelesen habe, dass die häufigste Antwort auf die Frage Wie oft nutzt du KI-Systeme wie ChatGPT im Studium? (Hahn 2024, 21) Nie lautete: Circa 29 Prozent der Studierenden nutzen keine KI-Tools!
21 Prozent nutzen sie einmal im Monat oder seltener; rund achtzehn Prozent nutzen KI-Tools mehrmals pro Woche (Hahn 2024, 22).

Nichtnutzung: Woran liegt es?
Die Gründe für die Nichtnutzung sind vielfältig: Es gibt allerhand Studierende, die nicht wissen, wofür sie KI einsetzen sollen. Andere haben Bedenken wegen der Qualität der Antworten oder der Datensicherheit. Auch die Einarbeitung in die einzelnen Tools ist eine Hürde für deren Nutzung.

2. KI zu nutzen, macht Spaß.
Wenn Studierende KI nutzen, dann macht ihnen das Spaß (Hahn 2024, 27). Die Antworten, die ihnen diese Tools liefern, werden als klar, verständlich und strukturiert eingestuft (Hahn 2024, 31). Damit hat das Ganze eindeutig Potenzial!
3. Der Wissensstand zu KI ist durchaus gut.
Das Bewusstsein, dass KI komplexe Aufgaben nicht immer lösen und auch falsche Ergebnisse liefern kann, ist hoch (Hahn 2024, 33). Dennoch prüfen längst nicht alle Studierende, was ihnen ChatGPT & Co. so liefern.
Kritikfähigkeit ist nach wie vor gefragt!
Diese Beobachtung deckt sich mit meiner Erfahrung: Vielen Studierenden ist nicht bewusst, dass sie mit allem, wirklich allem, was sie lesen, kritisch umgehen müssen. Das betrifft eben nicht nur KI-generierte Inhalte.
Ich möchte dich ermutigen, Gelesenes zu hinterfragen, verschiedene Meinungen gegeneinander abzuwägen und einander gegenüberzustellen. Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet niemals nur, das Gelesene zusammenzufassen. Hab Freude, in den Wunden der Forschung zu bohren. Ich kann dir versichern: Es gibt sie! :)
4. Es bestehen allerhand Bedenken, und die sind berechtigt.
Studierende haben Bedenken, was KI betrifft, und das ist gut so, wie ich finde. Falsche Informationen geliefert zu bekommen, ein Plagiat zu erstellen und von KI-Systemen abhängig zu sein, bereitet Studierenden Kopfzerbrechen (Hahn 2024, 39). Es ist nach wie vor unklar, ob von KI verfasste Texte als Plagiat eingestuft werden können.
5. Es gibt jede Menge Chancen und Potenziale!
KI-Tools können die Produktivität steigern und werden von Studierenden durchaus als benutzerfreundlich eingestuft (Hahn 2024, 44). Tatsächlich können wir alle dank KI rascher arbeiten und schneller ans Ziel kommen. KI kann meiner eigenen Erfahrung zufolge den Arbeitsprozess fördern, aber eben auch behindern und im Kontext einer wissenschaftlichen Arbeit sogar zu einer Schreibblockade führen.
So kann ChatGPT etwa ein wunderbarer Austauschpartner sein. Wer hingegen versucht, damit eine ganze Arbeit zu schreiben, etwa indem mit dem Tool die vorhandene Literatur umformuliert wird, kann rasch in eine Sackgasse geraten.
Warum? Es fehlt dann die Denkleistung, die vor dem Schreibprozess und während des Schreibens unerlässlich ist, um ein tiefes Verständnis des Themas zu entwickeln und eigenständige Argumentationen sowie neue Perspektiven zu erarbeiten. Siehe dazu auch meinen Blogartikel Alles für die Bachelor- oder Masterarbeit in eine Datei kopieren?.
6. Studierende erwarten sich einen Plan von ihren Hochschulen.
Berechtigterweise wünschen sich Studierende, dass ihre Hochschule einen Rahmen schafft, in dem sie KI nutzen dürfen. Fachhochschulen und Universitäten brauchen einen Plan; vor allem aber braucht es Regeln für den Einsatz von KI (Hahn 2024, 49). Und ja, warum nicht auch an den Hochschulen Kurse zu ChatGPT & Co. anbieten (Hahn 2024, 47)!
Mein Fazit und Rat zur Nutzung von ChatGPT & Co. im Kontext des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens
1. ChatGPT kann ein starker Sparringspartner sein.

Tools wie ChatGPT sind gekommen, um zu bleiben. Falls du zu denjenigen gehörst, die bislang noch keinen Zugang zu KI gefunden haben, würde ich dir empfehlen, dich damit vertraut zu machen. Vielleicht kann ich dir mit diesem Artikel auch ein wenig Lust machen?
Das eine oder andere Tool, allen voran natürlich ChatGPT, zu kennen, halte ich im Jahr 2025 für wichtig, auch im Hinblick auf den Berufsalltag. Und eines ist klar: ChatGPT kann ein starker Sparringspartner sein, wenn es um deine Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation geht.
Du kannst dich mit ChatGPT über fachliche Inhalte ebenso austauschen wie über die Gliederung oder über Fragen der Motivation. Dabei zahlt es sich aus, wenn du nachhakst. Eine Antwort ist dir zu dünn, zu dürftig? Hake nach. Eine Antwort ist dir zu wenig strukturiert? Teile ChatGPT mit, was du brauchst.
2. Bleibe oder werde kritisch!
Ebenso wichtig, ich habe das schon angesprochen, ist die Fähigkeit, mit all dem, was du liest, kritisch umzugehen. Und das betrifft nicht nur KI-generiertes Wissen. Trau dich, nicht allem, was du liest, zu vertrauen. Ich habe ein paar Semester gebraucht, um genau das zu verstehen. Aber als ich das verstanden hatte, war wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben plötzlich eine richtig spannende Angelegenheit.
3. Du weißt nicht, was erlaubt ist? Frage nach.
Seitens der Hochschulen besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Es braucht einen klar definierten Rahmen, in dem KI eingesetzt werden darf. Wenn du KI-Tools wie ChatGPT nutzen möchtest und unsicher bist, ob dies erlaubt ist, wende dich an deine Lehrveranstaltungsleitung, die Betreuerin oder den Betreuer deiner Arbeit und frage nach.
Manche Hochschulen haben bereits Richtlinien entwickelt, andere befinden sich noch in der Klärungsphase. Transparenz und Rücksprache sind wichtig, um Missverständnisse oder Regelverstöße zu vermeiden; vor allem aber brauchst du Klarheit.
Jede Form der Verunsicherung kann dich in deinem Arbeitsprozess behindern. Mit klaren Regeln kannst du KI-Tools wie ChatGPT gezielt nutzen oder auch damit experimentieren, und das kann durchaus eine lustvolle Angelegenheit sein.
Falls du bislang nicht genau weißt, ob bzw. in welchem Umfang du KI nutzen kannst, frage nach, und zwar am besten direkt bei deiner Lehrveranstaltungsleitung bzw. deiner Betreuung!
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Veröffentlicht am 28.1.2024.
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