Tipps für angehende Lektorinnen und Lektoren

Der Beruf der Lektorin bzw. des Lektors ist leicht ergriffen. Ein Gewerbeschein ist nicht notwendig, PC und Schreibtisch hat jeder und eine Website ist heute ruckzuck erstellt. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, neben dem Studium oder auch neben der Kindererziehung, macht den Beruf für viele zusätzlich attraktiv. Auf unkomplizierte Weise von zu Hause aus Geld zu verdienen – das klingt verlockend!

Der Beruf der Lektorin bzw. des Lektors

Die Realität ist dann meist härter als gedacht: Der Markt ist umkämpft, in der Branche arbeiten viele zu Dumpingpreisen und die Kunden kommen nicht von allein. Außerdem reicht es nicht aus, leidenschaftlich gerne zu lesen oder zu schreiben. Und gute Deutschkenntnisse auf Schulniveau allein befähigen auch nicht zum Beruf der Lektorin oder des Lektors. Exzellente Deutschkenntnisse (Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung), stilistische Sicherheit, ein sehr gutes Sprachgefühl, ein breites Allgemeinwissen, Geduld und Präzision sind ein Muss.

Bewerbungsschreiben und Probelektorate mit Fehlern

An den Bewerbungen, die ich ungefragt zugeschickt bekomme (ich suche auch jetzt keine Verstärkung!), sehe ich, dass es oft schon an den exzellenten Deutschkenntnissen und der Präzision mangelt. Keine der Unterlagen, die ich in den letzten Jahren zugeschickt bekommen habe, waren ohne Fehler.

 

Vor drei Jahren war ich tatsächlich auf der Suche nach zusätzlicher Unterstützung für mein Lektorenteam in der Schreibwerkstatt. Von den vier Lektorinnen und Lektoren, die ein kurzes Probelektorat geschickt oder auf meine Bitte hin gemacht haben, war keines fehlerfrei: Es fehlte das eine oder andere Komma, der Bis-Strich bei Jahreszahlen war kurz statt lang, die Groß- und Kleinschreibung nach einem Doppelpunkt stimmte nicht, Anführungszeichen waren falsch gesetzt etc.

 

Keine guten Voraussetzungen, um den Beruf der Lektorin bzw. des Lektors auszuüben.

 

Fehler können einer Lektorin bzw. einem Lektor nämlich ganz schön vor die Füße fallen, besonders dann, wenn es um Texte geht, die in gedruckter Form erscheinen. Dass auch Lektorinnen und Lektoren nur Menschen sind und Fehler passieren können, ist klar. Letztendlich kommt es aber auf die Fehlerquote an.

 

Wer einen Roman lektoriert, wird sicher einmal da und dort einen Fehler übersehen, aber sie/er darf natürlich nicht auf jeder oder auch nur jeder zweiten oder dritten Seite etwas übersehen. Das wäre zu viel. Und schon gar nicht dürfen sich Fehler durch das ganze Buch ziehen. Das gilt natürlich auch für Uni-Arbeiten, die viele Lektorinnen und Lektoren offenbar gerade zu Beginn als besonders attraktiven Texttyp für ihre Arbeit einstufen, obwohl Wissenschaftslektorate zu den anspruchsvollsten Lektoraten zählen.

 

Kommen wir nun aber zum Kern des Blogartikels: Wie wird man eine Top-Lektorin bzw. ein Top-Lektor?

Was Sie tun können, um eine gute Lektorin bzw. ein guter Lektor zu werden

Vier Tipps für angehende Lektorinnen und Lektoren:

Tipp 1: Lassen Sie Gegenlektorate machen.

Zunächst einmal sollten Sie herausfinden, wo Sie im Hinblick auf Ihre Kompetenzen überhaupt stehen. Ich habe den Eindruck, dass viele Lektorinnen und Lektoren gar nicht wissen, dass sie nicht sattelfest in Rechtschreibung und Grammatik sind. In dieser Situation hilft nur eines: ein Gegenlektorat.

 

Suchen Sie sich jemanden, die/der schon lange im Lektoratsgeschäft steht, die/der große Kunden hat und von der/dem Sie den Eindruck haben, sie bzw. er versteht ihr/sein Handwerk.

 

Lassen Sie einen von Ihnen lektorierten Text mit sichtbaren Korrekturen und Kommentaren von der Kollegin bzw. dem Kollegen auf Honorarbasis kritisch lesen. Dann sehen Sie, wo Sie stehen und wo Sie noch dazulernen müssen. Abhängig von dem Ergebnis machen Sie das mehrfach – so lange, bis Sie wirklich fit sind. Betrachten Sie das Ganze als Schulung, als eine Investition, die sich für Sie lohnt.

Tipp 2: Schlagen Sie nach.

Wann auch immer Sie nur den geringsten Zweifel haben, sollten Sie nachschlagen. Begnügen Sie sich nicht mit dem ersten Band des Dudens (den es übrigens auch online gibt), sondern legen Sie sich auch zumindest die Bände 2, 5, 7, 8, 9, 10, 11 zu. Das sind die Bände, mit denen meine beiden Lektorinnen regelmäßig arbeiten.

 

Der Duden ist in Sachen Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung und teilweise auch Stil auskunftsfähig. Aber natürlich müssen Sie als gute Lektorin oder guter Lektor auch immer wieder bei inhaltlichen Fragen und Zweifeln nachschlagen, nachlesen, recherchieren.

Tipp 3: Lesen, lesen und nochmals lesen!

Wenn Sie eine richtig gute Lektorin bzw. ein richtig guter Lektor werden möchten, kommen Sie nicht umhin, auch abseits des Berufes viel zu lesen. In meinen Augen sollte das Lesen fixer Bestandteil Ihres Lebens sein und Ihnen Freude machen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Sie andernfalls diesen Beruf lieber nicht in Erwägung ziehen sollten. Sie selbst wissen am besten, welche Texte Sie anziehen, vertrauen Sie bei Ihrer Lektüre auf Ihr Bauchgefühl.

Tipp 4: Verlangen Sie Honorare, von denen Sie leben können.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was die Preise mit der Qualität des Lektorats zu tun haben. Meiner Erfahrung nach fehlt es manchen Neueinsteigerinnen und -einsteigern schlichtweg an Geduld. Das mag an der mangelnden Erfahrung und/oder dem fehlenden Gefühl für Präzision liegen, es kann aber auch mit den zu niedrigen Normseitenpreisen bzw. Stundensätzen zu tun haben.

 

Ist das Honorar zu niedrig angesetzt, verleitet das dazu, rasch zu arbeiten. Zeitdruck bzw. ein zu großes Arbeitstempo sind aber der größte Feind eines guten Lektorats. Qualität, die an erster Stelle stehen sollte, braucht Zeit. Es spricht sich nämlich herum, wer richtig gute Arbeit leistet. Und Empfehlungen sind ein guter Weg, um Kundinnen und Kunden zu gewinnen und sich als Lektorin bzw. Lektor auf dem Markt zu behaupten.

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