Eine Literaturarbeit als Dissertation schreiben

Zur Sorge, dass eine Literaturarbeit als Doktorarbeit zu wenig Neues beinhaltet

 

Bei einer Literaturarbeit behandelt man ein Thema ausschließlich auf der Basis bereits vorhandener Veröffentlichungen. Im Unterschied zu einer empirischen Arbeit werden keine Daten erhoben. Viele Studierende fragen sich in der Konsequenz, ob es denn genügt, einfach nur mit dem zu arbeiten, was als Wissen schon da ist.

 

Auch Anonymus bewegt diese Frage. Sie oder er schreibt:

 

Hallo Huberta,

 

ich suche gerade ein Thema für meine Dissertation (Soziologie), die eine "Literaturarbeit" werden wird. Ich habe ein wenig Sorge, dass die Arbeit dann keinen "Mehrwert" und nichts Neues hervorbringt. Ist es wirklich ausreichend, ein Modell wie einen Vergleich, eine Systematik oder eine These-Antithese-Synthese zu wählen?

 

Ich hoffe, die Frage ist verständlich formuliert.

 

Ja, die Frage ist absolut verständlich. Das Wichtigste gleich vorweg:

Eine Literaturarbeit kann sehr viel neues Wissen beinhalten.

Es gibt Fächer, in denen sogar der Großteil der Bachelorarbeiten, Masterarbeiten oder Dissertationen Literaturarbeiten sind, so zum Beispiel in der Philosophie oder in der Kunstgeschichte.

 

Im Web finden sich leider immer wieder mal Aussagen wie:

 

"Bei einer Literaturarbeit machst du keine eigene Forschung." Das ist falsch!

 

Zu forschen kann auch bedeuten, die vorhandene Literatur auszuwerten und kritisch weiterzudenken. Unser kluger Kopf kann auch ohne Datenerhebungen wunderbare Forschungsleistungen erbringen.

 

Nun zum angesprochenen Mehrwert einer Dissertation.

 

Der Anspruch, Neues in einer Doktorarbeit hervorzubringen

Von einer Bachelorarbeit oder Masterarbeit werden keine bahnbrechenden neuen Ergebnisse erwartet. Eine kritische Reflexion des Forschungsstandes genügt in der Regel. Anders ist das bei einer Dissertation. In einer Doktorarbeit sollte tatsächlich Neues stehen. Dieses Neue sollte meiner Meinung nach so wesentlich sein, dass es sich lohnt, die Arbeit zu veröffentlichen (unabhängig davon, ob an deiner Uni bzw. Hochschule oder in deinem Land Publikationszwang besteht oder nicht).

 

Okay, was bedeutet das für die oben gestellte Frage?

 

Ob der von dir, liebe/-r Anonymus, in Betracht gezogene Weg im Detail stimmig ist, kann ich mangels weiterer Informationen nicht sagen. Eine Doktorarbeit aus dem Bereich Soziologie kann sicher auch eine reine Literaturarbeit sein.

 

Definiere den Mehrwert deiner Doktorarbeit im Zuge des Exposé-Schreibens

Wichtig ist, dass du dir im Zuge des Exposé-Schreibens darüber klar wirst, was deine Doktorarbeit genau leistet, worin also der Mehrwert besteht. Vielleicht hilft es dir, wenn du mal an die namhaften Zeitschriften in deinem Fach denkst: Hättest du eine Chance, die Quintessenz deiner Doktorarbeit dort zu publizieren?

 

Im Zweifelsfall empfehle ich dir, mit deiner Betreuerin oder dem Betreuer zu sprechen und deine Themenidee frühzeitig abzuklären. Und wenn du noch keine Betreuung hast, würde ich dich gern ermuntern, das Gespräch mit potenziellen Betreuerinnen und Betreuern zu suchen.

 

 

 

Verfasst am 30.5.2023.

 

Abbildungsnachweis: Shutterstock.com, Bildnr. 89708446, Maryna Pleshkun