Tagebuch schreiben ohne Wächter an Ihrer Seite

Schwarzes Tagbuch auf einem Holztisch

 

Ich schreibe Tagebuch, sträube mich aber, wie mir vor einiger Zeit klar geworden ist, genau genommen gegen das Wort „Tagebuch“. Denn es suggeriert, dass es sich um ein Buch handelt, das täglich zur Hand genommen wird. Ich aber schreibe nicht jeden Tag. Oder besser: Ich schreibe manchmal täglich, manchmal mehrmals täglich und manchmal mehrere Tage gar nicht. Für mich ist mein „Tagebuch“ ein „Gedankenbuch“, in dem alles Platz hat, in dem ich nichts machen muss, in dem alles sein darf – wunderbarerweise auch Fehler! 

Schreiben frei von Beurteilungen

Für mich ist es befreiend, einen Schreibraum zu haben, in dem mir niemand auf die Finger schaut und in dem mich daher auch niemand beurteilt. Wenn ich mir meinen Schreibraum selbst eng mache (etwa indem ich mich ärgere, dass ich gerade das falsche Datum eingetragen habe), merke ich das inzwischen rasch.

Die Wächter ...

Schreiben Sie auch Tagebuch? Und wenn ja, fragen Sie sich manchmal, ob das, was Sie da tun, gut und richtig ist? Zweifeln Sie also? Warum? Wer redet Ihnen da hinein? Wie groß ist der Raum, den Sie sich geben? Spannende Fragen, bei deren ehrlicher Beantwortung man und frau ein ganzes Stück weiterkommen kann in der eigenen Entwicklung!

 

Sie schreiben bisher noch nicht Tagebuch, liebäugeln aber damit, nur Ihre inneren Wächter halten Sie davon ab? Das sind die Herren (oder Damen), die nur allzu oft meinen, etwas wäre nicht gut, etwas müsste anders sein, etwas dürfe so nicht sein! Ein Tagebuch ist meiner Erfahrung nach ein guter Raum, um mit ihnen in Kontakt zu kommen, aber natürlich müssen Sie erst einmal loslegen. 

 

Damit Ihnen das leichter gelingt, habe ich eine Liste mit 15 Tipps zusammengestellt, die Sie ermutigen sollen, das Tagebuchschreiben ganz frei anzugehen.

Tagebuch schreiben: 15 Tipps für mehr Freiraum

  1. Sie müssen nicht täglich schreiben.
  2. Sie müssen nicht auf die Rechtschreibung achten, können zum Beispiel alles kleinschreiben.
  3. Sie müssen nicht in ganzen Sätzen schreiben, auch Satzteile und einzelne Wörter sind völlig in Ordnung.
  4. Sie dürfen sich verschreiben und dürfen alles durchstreichen, was Ihnen nicht gefällt.
  5. Sie müssen nicht immer mit demselben Stift schreiben.
  6. Sie müssen nicht schön schreiben. Ganz abgesehen davon ist unsere Schrift nicht jeden Tag gleich.
  7. Sie dürfen anderen daraus vorlesen. Ein Tagebuch muss nichts Geheimes sein.
  8. Sie dürfen in Ihrem Tagebuch auch herumkritzeln, völlig planlos, einfach nur so.
  9. Ihre Einträge müssen nicht immer das Datum des Tages haben, an dem Sie sie verfassen. Sie dürfen Einträge auch unter einem bereits vergangenen Datum schreiben. Gerade wenn ich einmal ein paar Tage nichts geschrieben habe, mache ich das gerne, damit das Datum des Eintrags mit den Ereignissen bzw. Gedanken zum Tag übereinstimmt.
  10. Sie müssen nicht nur eigene Worte ins Tagebuch schreiben. Es kann sich zum Beispiel auch sehr gut anfühlen, Texte abzuschreiben.
  11. Sie können Ihre Texte völlig frei schreiben, einfach so, wie die Worte zu Ihnen kommen. Wenn dabei Gefühle auftauchen, von denen Sie gar nicht wussten, dass sie in Ihnen schlummerten: Umso besser!
  12. Sie dürfen in Ihr Tagebuch Dinge schreiben, die Sie sonst niemals aussprechen würden.
  13. Sie dürfen in Ihrem Tagebuch Ihre verrücktesten Wünsche und schlimmsten Sorgen zu Papier bringen.
  14. Sie dürfen in Ihrem Tagebuch mit Menschen „reden“, die für Sie (aus welchen Gründen auch immer) unerreichbar sind.
  15. Und ja, Sie können Ihr Tagebuch nennen, wie Sie wollen: Gedankenbuch, Gedankenkiste, Notizbuch, Chronik, Journal etc. Sie können ihm auch einen „richtigen“ Namen geben und sich somit einen fiktiven Gesprächspartner schaffen, der Ihnen immer zuhört.

 

Tagebuchschreiben ist sehr befreiend. Mir ist es ein zuverlässiger Begleiter. Probieren Sie es doch auch einmal aus! Schreiben Sie, kritzeln Sie, lassen Sie das aufs Papier fließen, was gerade in Ihnen ist.

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