Berufsbegleitend promovieren – ein Erfahrungsbericht

Ein Gastartikel von Brigitte Krizsanits

Es gibt Projekte, die spuken lange im Kopf herum. Und irgendwann ist der Moment da und sie wollen raus. Rund zwei Jahre habe ich überlegt, ob ich berufsbegleitend promovieren soll. Der Gedanke, eine Dissertation neben meinem Job zu schreiben, hat mich nicht mehr losgelassen. Zwischendurch hätte ich ihn auch fast wieder verworfen. Obwohl ich schon eine Betreuerin gefunden und bei ihr in einem informellen Treffen meine potenziellen Mitstreiter 
kennengelernt hatte. Dass ich die Sache dann doch angegangen bin, habe ich letztendlich diesen Mitstreitern  zu verdanken. Als wir uns nach ein paar Monaten privat trafen, sagten sie: „Machs!“

Noch am selben Abend schickte ich die Anmeldung ab. Über das Internet. Ohne stundenlanges Anstellen, wie es früher war. Und damit war die erste Hürde genommen. Kleine Freude am Rande: Auch mein alter Studentenausweis funktionierte noch.

Doktorarbeit neben dem Beruf: Wie funktioniert das?

Als ich von meinem neuesten Projekt, meiner Dissertation am Institut der Geschichte der Universität Wien, in meinem Freundeskreis berichtete, war die erste Reaktion: „Na du musst Zeit haben!“ Was soll ich dazu sagen? Zeit habe ich nicht mehr und nicht weniger als alle anderen. Selbstständig als Texterin, Mutter von zwei Kindern, „Bodenpersonal“ für alle Notfälle daheim und was sonst noch anfällt. Und jetzt daneben noch das Projekt „Dissertation“. Aber es läuft seit bald zwei Jahren.

Regelmäßiger Austausch mit meinen Kollegen und der Betreuerin

Gemeinsam mit zwei Mitstreitern treffen wir uns monatlich bei unserer Betreuerin. Wir sprechen über unsere Arbeiten und lesen gegenseitig Kapitel, die wir fertiggestellt haben. „Wie geht das mit der Dissertation neben dem Beruf?“, fragte ein dritter Kollege, der kürzlich seinen Magister abschloss – und es tat uns gut, darüber zu reden. Denn jeder hat einen anderen Weg, der von den beruflichen und privaten Umständen abhängt.

 

So hat ein Kollege zum Beispiel schon vor fünfzehn Jahren mit seiner Dissertation begonnen. Er hat seither Vorträge über sein Dissertationsthema gehalten und ist so in gewisser Weise ständig drangeblieben. Nur zum Schreiben hatte er keine Zeit. Um die Arbeit nun wirklich zu vollenden, hat er sich ein Sabbatical genommen. Und er überrascht uns bei jedem Treffen mit einem unglaublichen Output an neuen Seiten.

 

Auch mein zweiter Kollege ist schon länger an seinem Thema dran. Er setzt auf Konsequenz neben der Arbeit. Ohne Ausdauer ist eine berufsbegleitende Promotion nicht zu schaffen. „Wenn du nicht jeden Abend dran sitzt, hast du nach drei Tagen wieder vergessen, was davor war“, meinte er kürzlich. Und unsere Betreuerin setzte hinzu: „Man liest halt nicht mehr so viel Krimis und andere Bücher, sondern beschäftigt sich mehr mit dem Thema.“ Das kann ich völlig unterstreichen.

Wer berufsbegleitend promovieren möchte, muss konsequent sein

Jede freie Minute nutzen

Freie Minuten – etwa beim Warten auf die Kinder– werden mit Fachliteratur verbracht. Und so kann es schon einmal sein, dass ich im Auto vor dem Fußballplatz warte, nicht, wie die anderen das Handy vor der Nase, sondern einen dicken Ordner auf dem Schoß. Gelesen wird, wann es nur geht. Den Donnerstag verbringe ich konsequent mit Quellenforschung im Archiv. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg.

Dass ich dennoch dranbleibe, habe ich (im Moment) zwei Faktoren zu verdanken: Ich bin als Texterin und Autorin selbstständig. Das bedeutet einerseits flexible Zeiteinteilung, andererseits kann ich meine Ergebnisse auch für berufliche Schreibprojekte nützen. Das Wichtigste ist jedoch, die Archivtage nicht ausfallen zu lassen.

Zeiten für die Arbeit an der Dissertation fix reservieren

Schlägt jemand für einen Termin – egal ob geschäftlich oder privat – einen Donnerstag vor, so sage ich ab. Denn das möchte ich nicht einreißen lassen. Die Donnerstage sind für die Archivbesuche reserviert. Die Nachbereitung der Recherche erfolgt dann meist am Sonntag in der Früh, wenn Mann und Kinder noch schlafen.

Zeit haben – sich Zeit nehmen

„Du musst Zeit haben“, habe ich dann im Hinterkopf, wenn ich am Sonntag schon um sechs Uhr in der Früh Dokumente transkribiere. Und frage mich schon auch, wo ich sie hernehme, die Zeit. Was mich immer noch anspornt? Die Begeisterung für mein Thema und der Zuspruch jener, denen ich davon berichten kann. Und die Hoffnung, dass ich am Ende endlich eines wieder einmal haben werde: Zeit und dazu dann noch ein wunderbares Produkt, auf das ich stolz sein kann!

Über die Autorin

Foto von Mag. Brigitte Krizsanits

Mag. Brigitte Krizsanits studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. Nach über zehn Jahren in der Erwachsenenbildung in Wien und Prag zog sie einen Schlussstrich unter die Lehrtätigkeit und wurde Journalistin.

2013 wagte sie nach ihrem ersten Buch, einem Bildband über das Leithagebirge, den Sprung in die Selbstständigkeit und ist seither unter textprojekt.at als freie Journalistin, Texterin und Buchautorin tätig. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind regionale und historische Themen mit Burgenland-Bezug.

Abbildungsnachweis:

Bild ganz oben: Sutterstock.com, Ievgenia Tkach, Bildnummer: 145563004