Ist es sinnvoll, die gesamte Literatur für eine Uni-Arbeit zu lesen?

 

Die Frage, ob man für eine Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation die gesamte Literatur lesen soll oder gar muss, haben mir Studierende in meiner Facebookgruppe zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben gestellt. Sie ist spannend und komplex zugleich. Daher der Reihe nach! 

Was ist überhaupt mit "gesamter Literatur" gemeint?

Zunächst einmal ist es gar nicht einfach zu sagen, was denn die "gesamte Literatur" überhaupt ist. Wer wissenschaftlich arbeitet, liest Literatur, die eng am eigenen Thema dran ist, und Literatur, die darum herumkreist, die den Blick weiter macht, ihn für andere Themen und Fragen öffnet.

 

Von der Literatur, die nicht ganz nah am Thema dran ist, liest man in der Regel nur Teile, weil zum einen sonst der Aufwand explodiert und weil es zum anderen meist auch gar nicht notwendig ist, in alle Facetten des (Rand-)Themas einzusteigen.

 

Dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Forschungsbereich, der Kunstgeschichte, genau gesagt der Barockarchitektur:

 

Wenn ich mich in einer Arbeit mit der barocken Klosteranlage von Melk befasse, die im 18. Jahrhundert umgebaut wurde, und sie mit dem Neubau der Klosteranlage von Göttweig unter dem Aspekt "Umbau versus Neubau in der Barockzeit" vergleichen möchte, dann muss ich zu Stift Göttweig nicht die gesamte Literatur lesen. Ich werde nur die wichtigste Literatur zu Göttweig heranziehen und dabei darauf achten, dass dort die aktuellsten Ergebnisse zur Baugeschichte referiert werden.

 

Mit dem Hinweis auf die "aktuellsten Ergebnisse" haben wir nun gleich einen Anhaltspunkt für die Auswahl der Literatur zu weiterführenden Themen: Sie sollte erstens aktuell sein und zweitens zentrale Forschungsergebnisse zu dem Thema beinhalten.


Was Sie auf keinen Fall heranziehen sollten: irgendwo rasch zusammengefischte oder gar populärwissenschaftliche Literatur, ganz nach dem Motto "Hauptsache, ich habe etwas zum Zitieren". Sie müssen, auch wenn es um ein Randgebiet geht, zu der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur greifen. Das schließt Bücher ebenso ein wie Aufsätze, die viele Studierende stiefmütterlich behandeln, weil sie nicht wissen, wie man gezielt danach sucht. Dazu am Ende des Blogartikels gleich noch mehr.

Soll ich wirklich die gesamte Literatur lesen?

Auf die Frage "Soll ich die gesamte Literatur lesen?" möchte ich an dieser Stelle mit einer Gegenfrage antworten: Ist das denn überhaupt mit einem vertretbaren Zeitaufwand möglich?

 

Es gibt Themen, zu denen die Literatur überschaubar ist und bei denen es daher tatsächlich realistisch ist, alles zu lesen. Je enger das Thema gefasst ist und je weniger dazu publiziert wurde, desto eher ist das der Fall.

 

Freilich ist es gar nicht immer sinnvoll, die gesamte Literatur zu lesen, ganz besonders gilt das für die Naturwissenschaften und die Medizin. Hier sind Ergebnisse oft schon nach wenigen Jahren völlig überholt und für weitere Forschungen nicht relevant.

Tipps für Ihre Literaturrecherche

Sie haben gesehen, eine Antwort auf die Frage "Soll ich die gesamte Literatur lesen?" ist gar nicht einfach. Wie so oft kommt es auf Ihr Thema an. Drei Tipps möchte ich Ihnen aber auf jeden Fall noch mit auf den Weg geben:

  • Fangen Sie mit dem Lesen der neuesten Literatur an. Im besten Fall werden hier ältere Ergebnisse zusammenfassend referiert. 
  • Schauen Sie, dass Sie fit in der Literaturrecherche werden. Wenn Sie bislang nur Bücher, aber noch keine Aufsätze zu Ihrem Thema gelesen haben, dann haben Sie mit Sicherheit noch keinen soliden Überblick über Ihr Thema. Sie müssen mit Hilfe von Zeitschriftendatenbanken auch gezielt nach Aufsätzen suchen und diese auswerten.
  • Auch zu Randthemen müssen Sie sorgfältig bibliografieren. Greifen Sie nicht nach beliebiger Literatur, sondern nach der Literatur, die für das Randthema zentral ist.

Sie kommen mit Ihrer Uni-Arbeit nicht so flott voran, wie Sie das geplant haben? Dann schauen Sie doch, ob vielleicht ein Online-Coaching das Richtige für Sie ist.

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