Ich kann mich sehr gut an meine Studienzeit erinnern: Damals war das Kopieren noch teuer und deshalb habe ich für meine Hausarbeiten und später dann auch für meine Diplomarbeit (heute wäre das die Masterarbeit) vor allem exzerpiert. Ich bin stundenlang in der Bibliothek gesessen, habe Literatur gelesen und alles Wichtige herausgeschrieben. Das war ein langwieriger und mühsamer Prozess!
Auch heute, da Kopien oder Scans wenig kosten, exzerpieren viele Studierende. Aber ist das sinnvoll? Ist es besser, die Fachliteratur für die Hausarbeit, Seminararbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation zu exzerpieren oder zu kopieren bzw. zu scannen?
Exzerpieren
Der Vorteil, wenn du die Literatur für deine Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation exzerpierst
Das Exzerpieren hat einen entscheidenden Vorteil: Du setzt dich sofort mit der Literatur auseinander. Wer kopiert, liest den Text oft nur grob durch, legt das Buch oder die Zeitschrift auf den Kopierer und drückt auf "Start". Zu Hause wandern die Kopien dann erst mal ungelesen auf einen Stapel, wo sie eine gute Weile vor sich hindämmern.
Überhaupt verfallen viele Studierende (aber auch gestandene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) in eine Art "Hamstertrieb". Sie kopieren und kopieren, scannen wie wild oder laden Online-Publikationen massenweise herunter, ohne sie zu lesen. Hauptsache, das Material ist erst einmal im "Bau".
Beim Exzerpieren ist das anders. Hier findet sofort ein produktiver Lese- und Selektionsprozess statt. Du liest den Text und überlegst dir genau, welche Informationen es wert sind, notiert zu werden – schließlich macht das Herausschreiben ja Arbeit.
Der Nachteil des Exzerpierens
Das Exzerpieren ist nicht nur zeitaufwändig, sondern hat einen weiteren wesentlichen Nachteil: Wenn es dann tatsächlich ans Schreiben der Seminararbeit oder Abschlussarbeit geht, hast du den Originaltext nicht mehr vor Augen, sondern stützt dich nur auf dein Exzerpt. Und wenn das nicht gut ist, vor allem wenn du nicht präzise zwischen wörtlichen Zitaten und sinngemäß wiedergegebenen Texten unterscheidest, wird es schwierig.
Hier ein paar Tipps für dein Exzerpt:
- Notiere exakt die bibliografischen Angaben (Autorin bzw. Autor, Titel der Publikation, Erscheinungsjahr, Erscheinungsort etc.).
- Schreib dir genau auf, welche Informationen von welcher Seite stammen. Wenn eine Textpassage, die du exzerpierst, über zwei Seiten geht, schreib dir dazu, wo exakt der Seitenwechsel ist. Du musst mit deinem Exzerpt dann ja weiterarbeiten können und genau wissen, welche Inhalte von welcher Seite stammen.
- Und ganz wichtig: Mach in deinem Exzerpt klar, welche Teile du wörtlich herausgeschrieben hast und welche sinngemäß. Ich empfehle dir, alle wörtlichen Exzerpte unter Anführungszeichen zu setzen. Sinngemäße Exzerpte brauchst du nicht eigens zu kennzeichnen, dafür solltest du aber sehr genau drauf achten, dass du in dein Exzerpt nicht ganze Wortketten oder Satzteile fremder Autorinnen oder Autoren einwebst.
Wenn du beim Exzerpieren teilweise Satzteile aus der Forschungsliteratur übernimmst, ohne sie als solche zu kennzeichnen, hast du keine solide Basis, um damit weiterzuarbeiten. Du hast dann vielmehr ein Mischmasch, der dir allerhand Schwierigkeiten macht.
Wenn du dann deine Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation schreibst, sitzt du möglicherweise ratlos vor deinem Exzerpt und fragst dich, ob da nicht vielleicht doch Satzteile von anderen Leuten stammen, oder du übernimmst dein vermeintlich sinngemäßes Exzerpt eins zu eins. Am Ende kann es dann sein, dass du eine Textpassage geschrieben hast, in der sich deine Worte mit Satzteilen aus der Literatur vermischen – und trotz Beleg (in Klammer oder in einer Fußnote) hast du auf diese Weise ein Plagiat gemacht.
Kopieren: Das sind die Vorteile!
Vielleicht ahnst du es schon: Ich bin ein klarer Fan des Kopierens. Das erspart dir nicht nur Zeit, sondern sorgt vor allem auch dafür, dass du dann, wenn es ans Schreiben der FH- oder Uni-Arbeit geht, den Originaltext vor Augen hast.
Daher mein Tipp: Kopiere – und arbeite dann mit dem Text. Was meine ich mit "arbeiten"?
So arbeitest du mit einem wissenschaftlichen Text
Markierungen
Mit "arbeiten" meine ich, dass du dich dem Text mit einem Stift in der Hand näherst und alles Wichtige beim Lesen sofort markierst. Ich selbst gehe immer mit einem gelben Leuchtstift an die Kopie und markiere mir alle Informationen, die mir für meinen eigenen Text relevant erscheinen. Wenn ich etwas scanne oder herunterlade, drucke ich den Text aus.
Bei Texten, die ich mehrmals lese (manche lese ich zweimal, dreimal und noch öfter), gehe ich beim zweiten Durchgang mit einem grünen Stift an die Kopien und überstreiche gelbe Passagen. Ich filtere also aus dem Wichtigen die Kernaussagen heraus. Manchmal gehe ich in einem weiteren Durchgang mit einem roten Fineliner und einem Lineal an die Kopien. Außerdem mache ich Anmerkungen, und zwar direkt auf den Kopien.
Anmerkungen
Wenn ich Anmerkungen mache, spreche ich mit mir und/oder der Autorin bzw. dem Autor des Textes. Ich schreibe Dinge in den Text wie zum Beispiel "Kann das so stimmen?", "Das verstehe ich nicht" oder "Nachprüfen!". Manchmal male ich auch nur ein Rufzeichen oder ein Fragezeichen an den Rand.
Hier ein Beispiel, wie das dann aussieht:
Mit einem Text zu arbeiten, ihn durchzuarbeiten ist also mehr als ein Lesen, es ist ein intensiver Auseinandersetzungsprozess mit den Gedanken der Autorin bzw. des Autors – und das ist eine gute Voraussetzung für den Schreibprozess. Beim wissenschaftlichen Schreiben geht es ja immer darum, zu lesen und das Gelesene zu reflektieren.
In einer wissenschaftlichen Arbeit, sei es nun eine Hausarbeit, Seminararbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation, geht es nie nur um ein simples Zusammenschreiben fremder Erkenntnisse. Das Entscheidende ist der eigene Nachdenkprozess bzw. das kritische In-Bezug-setzen der verschiedenen Forschungsergebnisse.
Literaturauswertung für die Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation: Was ist der beste Weg?
Es gibt, wie so oft, nicht den einen besten Weg, sondern viele Wege. Wichtige Literatur solltest du auf Papier (also kopiert oder ausgedruckt) vor dir liegen haben, wenn es ans Schreiben der Abschlussarbeit geht.
Vor dem Schreiben musst du dich mit den Inhalten der Forschung auseinandersetzen. Das bedeutet auch, dass du deinen eigenen Fortschritt nicht nur an der Zahl der geschriebenen Seiten messen solltest, sondern auch an allen anderen Aufgaben, die du im Vorfeld erledigen musst, um überhaupt schreiben zu können – das Lesen gehört da ganz entscheidend dazu.
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Abbildungsnachweis: Bild ganz oben und Mitte (Bücher vor schwarzem Grund): Shutterstock.com, lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 509582818, Billion Photos
| Foto mit Textbeispiel: Leonore Pühringer-Zwanowetz, Die Baugeschichte des Augustiner-Chorherrenstiftes Dürnstein und das „neue Kloster“ des Propstes Hieronymus Übelbacher, in: Wiener
Jahrbuch für Kunstgeschichte 26, 1973, 96–198, hier S. 168 und 169