Tipps für mehr Abstand zu fremden Texten plus eine Ermutigung 💙
Die Angst vor einem Plagiatsvorwurf kann den eigenen Schreibprozess total blockieren. Eigentlich sollte man die Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation voranbringen und plötzlich geht nichts mehr. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du Plagiate vermeidest!
Dabei geht es nicht um das richtige Zitieren, sondern um das eigenständige Formulieren. Ich zeige dir, wie du deine eigenen Worte finden kannst, wenn es darum geht, fremde Inhalte wiederzugeben.
Sarah fällt es schwer, sich von den wissenschaftlichen Texten, die vor ihr liegen, zu lösen. Sie hat mir über die Aktion Frag Huberta folgende Nachricht geschickt:
Hallo Huberta,
ich brauche dringend einen Tipp, wie ich sichergehen kann, dass ich nicht zu nah am Text bin beim Paraphrasieren. Habe ziemlich große Angst zu plagiieren und das blockiert mich richtig beim Schreiben.
Liebe Sarah, ich helfe dir gern weiter. Die Lösung für dein Problem steckt genau genommen schon in deiner Nachricht. Du bist zu nah am Text, du brauchst also Abstand. Den bekommst du, wenn du dich von dem Text bzw. den Texten, auf die du dich in deiner wissenschaftlichen Arbeit stützt, löst.
Dazu benötigst du ein wenig Wissen, wie das geht, und Mut!
So kannst du dich von Texten lösen und Plagiate vermeiden
- Im ersten Schritt ist es natürlich wichtig, zu lesen: Es geht ums Lesen und ums Verstehen. Wenn du dann erst mal genug gelesen und verstanden hast, schließe die Bücher, die vor dir liegen. Alle! Lege Kopien und Zettel weg. Falls du die Publikationen am PC hast, schließe die Ordner mit der Literatur.
- Atme einmal tief durch und/oder steh auf und bewege dich ein wenig. Du hast das, was du sagen möchtest, nämlich schon im Kopf, der das Wissen jetzt noch ein wenig verarbeiten darf.
- Setze dich dann wieder an den PC und schreibe nieder, was du deinen Leserinnen und Lesern sagen möchtest. Lass die Worte fließen. Jetzt geht es nur darum, das, was in deinem Kopf ist, in den PC bzw. aufs Papier zu bringen. Überarbeitet wird danach. Wenn du einen ganzen Absatz schreibst, ist das super. Wenn du lediglich zwei, drei Sätze schreibst, ist das auch völlig okay.
Hauptsache, das Wissen wandert aus deinem Kopf, und zwar in eigenen Worten.
Am Anfang kann es sich durchaus seltsam anfühlen, so ganz ohne den Originaltext vor Augen zu schreiben, liebe Sarah. Habe ruhig Geduld!
Eigenständig zu formulieren, ist eine Übungssache!
Es braucht also Geduld, ein wenig Übung und vor allem Mut, ohne Textvorlage zu schreiben. Im allerersten Schritt geht es beim Schreiben einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit, Masterthesis oder Doktorarbeit wirklich nur darum, die Gedanken aufs Papier zu bringen. Und wenn wir uns auf fremdes Wissen stützen, bedeutet das eben, dass wir dieses Wissen nur heranziehen, es aber in eigenen Worten wiedergeben. So können wir Plagiate vermeiden.
Und nicht nur um Plagiate zu vermeiden ist es wichtig, dass du nicht an deiner Vorlage, also den Publikationen anderer, klebst, sondern auch, weil deine Leserinnen und Leser ja dich lesen möchten.
Die Bedeutung der Textpolitur
Im nächsten Schritt lade ich dich ein, den Text, den du eben spontan geschrieben hast, ein wenig zu polieren. Es geht dabei jetzt noch nicht um eine Hochglanzpolitur, die kommt später. Ich empfehle dir, an dieser Stelle weniger auf Grammatik und Rechtschreibung, sondern vor allem auf die Verständlichkeit zu achten. Wie lang sind deine Sätze? Wo musst du etwas umstellen? Wo ist es gut, ein paar Worte einzufügen oder zu streichen?
Mein Tipp: Lies dir das Geschriebene selbst auch einmal laut vor.
Alles, was wir im ersten Schwung niederschreiben, ist ein Rohling. Ein Text wird schrittweise startklar für die Abgabe. Niemand schreibt sofort druckreif. Gute Texte entstehen, indem wir Politurschleife um Politurschleife ziehen. Auch das ist vielen Studierenden nicht bewusst, die denken, sie müssten sofort abgabereife Texte produzieren. Das ist aber gar nicht der Fall! Also, eine erste Politur genügt zu diesem Zeitpunkt.
Okay, du hast den Text grob poliert, was dann?
Plagiate vermeiden: Fremdes Wissen in eigenen Worten plus Belege
Jetzt lade ich dich ein, dich wieder der Literatur zuzuwenden und einen Beleg oder auch mehrere (sei es in einer Klammer oder in einer Fußnote) zu setzen. Du schaust nun also in der Literatur nach, woher das Wissen stammt, und machst das deutlich. Du hast fremdes Wissen in eigenen Worten wiedergegeben, musst aber jetzt natürlich kennzeichnen, woher es kommt.
Wenn ich in Workshops oder Coachings von "eigenen Worten" spreche, die es braucht, um Plagiate zu vermeiden, schauen mich Studierende manchmal etwas ratlos an. Daher dazu jetzt ein paar Infos.
Was heißt "eigene Worte"?
Wenn du einen Gedanken aus der Literatur wiedergibst, wirst du nicht umhinkommen, manche Worte zu wiederholen. Nehmen wir mal an, du schreibst über eine Erkrankung und die neurobiologischen Ursachen, dann wirst du den Namen der Erkrankung und weiteres Fachvokabular aus der Neurobiologie natürlich nutzen. Anders geht es ja gar nicht!
Entscheidend ist, dass du mit diesen Worten komplett neue Sätze formulierst. Wissenschaftliches Schreiben bedeutet nicht, fremde Sätze umzuformulieren.
Wissenschaftliches Schreiben bedeutet, fremdes Wissen verstanden und durchdacht zu haben und in eigenen Sätzen zu Papier zu bringen.
Und dazu braucht es, wie gesagt, Abstand von der Literatur, ein wenig Übung und nicht zuletzt auch Mut! Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich weiß auch, dass es gut ist, das öfter zu sagen. Viele Studierende sind nämlich ungeduldig oder gehen sehr hart mit sich um.
Eigene Worte zu finden, ist eine Übungssache
Je mehr du das eigenständige Formulieren übst, desto leichter wird es dir fallen, fremdes Wissen in deinen Worten (= Sätzen!) wiederzugeben. Am Anfang kann es sinnvoll sein, Bücher, Kopien etc. bewusst wegzulegen und eine kurze Pause zu machen, bevor du zu schreiben beginnst, liebe Sarah!
Nach und nach wird es selbstverständlich werden, dass du Wissen eigenständig zu Papier bringst. Dann können die Bücher und Unterlagen neben dir liegen, ohne dass du an ihnen "klebst".
Aus Erfahrung kann ich dir sagen: Das eigenständige Schreiben kann sogar Spaß machen! Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben nämlich so schlecht, produzieren Mammut- und Schachtelsätze, dass es ein reines Vergnügen ist, das von ihnen erarbeitete Wissen klar und verständlich zu formulieren.
Verfasst am 11.8.2023.
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