Ein Artikel gemeinsam verfasst mit Dr. Emma Huber, Psychotherapeutin in Wien
Sie machen gerade alles Mögliche, nur das Wichtigste tun Sie nicht: Ihre Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation schreiben. Sie stecken in einer Schreibblockade und sind
verzweifelt. Die Ursachen für Schreibblockaden sind vielfältig: Ein fehlendes Exposé kann ebenso zu einer Schreibblockade führen wie negative Erfahrungen mit dem Schreiben in der
Schule.
Und natürlich kann eine Schreibblockade unterschiedliche Ausmaße haben: Sie kann Sie nur für ein paar Tage oder Wochen am Schreiben hindern, sie kann aber auch dazu führen, dass Sie Monate
oder gar Jahre an Ihrer Abschlussarbeit sitzen, ohne zu einem Ende zu kommen. Um die lang andauernden Schreibblockaden und die tiefgehenden Ursachen geht es im folgenden Beitrag.
Herausforderungen im Studium
Studieren ist anspruchsvoll. Es geht nicht nur darum, Gelerntes bei Prüfungen zu reproduzieren. Sie sollen auch selbst etwas produzieren, zum Beispiel Referate für Seminare ausarbeiten und diese allein oder mit anderen zusammen präsentieren. Das ist mühsam und zeitaufwendig. Besonders anstrengend wird es, wenn es um das Schreiben einer Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation geht.
Die Scheu vor dem Schreiben
Es gibt nur wenige Studierende, die gern schreiben. Die meisten haben eine Scheu davor. Diese Scheu kann auch in eine heftige Abneigung münden, sodass das aktuelle Schreibprojekt immer wieder aufgeschoben wird. Kennen Sie das?
Warum das Schreiben bei Studierenden unbeliebt ist
Schreiben kostet Zeit und Mühe. Zeit, bis der Text in der ersten Fassung vorliegt. Zeit, die Sie mit Freunden verbringen könnten. Und Mühe, weil sich die Inspiration oft nicht auf Befehl einstellt. Sie müssen zuerst überlegen, was Sie schreiben möchten und wie Sie das am besten ausdrücken. Danach sind Sie womöglich mit dem Ergebnis nicht so recht zufrieden.
Wenn das alles wäre, dann müssten Sie sich „nur“ darauf einzustellen, dass Schreiben eben Anstrengung und Zeit erfordert. Sie müssten auch die Vorstellung aufgeben, dass Ihnen Ihre Inspiration den Text liefert, Sie also nur in der richtigen Stimmung sein müssen.
Es gibt aber auch noch andere Gründe, die Ihnen das Schreiben erschweren können. Schwierig wird es zum Beispiel, wenn Sie Ihr Thema langweilig finden oder es Ihnen fremd ist.
Tiefsitzende Ursachen für Schreibblockaden
Manchmal geraten Studierende in eine Schreibblockade, weil sie kein Exposé geschrieben haben oder nicht genau wissen, wie man eine Uni-Arbeit anpackt. Solche Schreibblockaden lassen sich durch Gespräche mit Studienkolleginnen und Studienkollegen, der Betreuerin bzw. dem Betreuer oder einem Schreibcoach meist rasch lösen. Daneben gibt es aber auch tiefersitzende Ursachen, die dazu führen, dass mit der Uni-Arbeit nichts weitergeht.
1 Eine mangelnde oder eine zu starke Beziehung zum Thema
Optimal ist es natürlich, wenn Sie das Thema Ihrer Uni-Arbeit selbst gewählt haben. Dann sind Sie daran interessiert und wollen etwas Neues dazu herausfinden. Es kann aber auch sein, dass Sie zwar das Rahmenthema gewählt haben, Ihr Betreuer bzw. Ihre Betreuerin Ihnen aber einen bestimmten Fokus oder eine Fragestellung vorgegeben hat. Da wird’s schon schwieriger mit dem Interesse. Wenn Sie sich jedoch erst einmal mit dem Thema auseinandersetzen, kann auch ein zunächst uninteressantes Thema zu einem spannenden werden.
Sehr anspruchsvoll ist hingegen ein Thema, das Sie persönlich betrifft. Diese Betroffenheit erschwert es Ihnen nämlich, sich dem Gegenstand Ihrer Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation sachlich zu nähern. So ein Thema wird in Ihnen immer wieder heftige Gefühle auslösen, die Sie möglicherweise am Schreiben hindern. Das kann sich auch in eine handfeste Schreibblockade auswachsen. Oft ist es in so einer Situation gut, das Thema zu wechseln.
2 Negative Schreiberfahrungen aus der Vergangenheit
Neben dem Thema kann Ihnen außerdem noch Ihre eigene Schreibbiografie das Schreiben Ihrer Uni-Arbeit erschweren. Ihre bisherigen Schreiberfahrungen wirken sich immer auf das aktuelle Projekt aus.Viele Studierende haben früher (zum Beispiel in der Schule) mit dem Schreiben keine guten Erfahrungen gemacht. Entweder taten sie sich schwer damit und/oder sie erhielten Rückmeldungen, an die sie sich nur ungern erinnern. Oft waren es Lehrer/-innen, die ihnen so die Lust am Schreiben trübten. Aber es können auch andere Personen wie Angehörige, Freund/-innen oder Bekannte gewesen sein. Da spielt es dann keine Rolle, ob die damalige Kritik gerechtfertigt war oder nicht.
3 Die Angst, zu versagen
Negative Schreiberfahrungen führen dazu, dass Betroffene der Überzeugung sind, nicht gut im Schreiben zu sein. Sie meinen: "Ich kann das nicht." Oder sogar: "Ich bin ein/-e Versager/-in."
Wenn Sie so oder so ähnlich denken, dann machen Sie sich klar: Damals ist nicht heute! Wie schwer Ihnen das Schreiben damals auch gefallen sein mag – Sie haben sich weiterentwickelt. Das gilt auch für Ihre Schreibfähigkeit. Und Sie entwickeln sie immer noch weiter!
4 Angst, sich zu blamieren
Diese Angst resultiert aus folgender Vorstellung: Wer studiert, der muss alle Anforderungen des Studiums mit links bewältigen. Auch das Schreiben. Schließlich haben wir das ja schon in der Schule gelernt. Die anderen können es ja auch! Wem es nicht gelänge, eine Uni-Arbeit zu schreiben, der würde sich demnach blamieren. Oft sind es Angehörige, die diese Angst in Studierenden schüren.
Dabei gehen sie von falschen Vorstellungen aus: Einen Text schreibt man nicht einfach herunter und fertig. Kaum jemand schreibt auf Anhieb druckreif. Schreiben ist ein Prozess, in dem der ursprüngliche Text nach und nach weiterentwickelt wird. Schreiben ist auch nicht etwas, das man kann oder nicht kann. Jede/-r, die/der das will, kann ihre/seine Schreibfähigkeit verbessern. Auch eine Bachelorarbeit oder Masterarbeit kann man nicht in einem Zug schreiben. Sie muss allmählich wachsen, Stück für Stück, bis sie schließlich fertig ist.
5 Innerer Widerstand und Konflikte mit anderen
Als Student / Studentin wissen Sie eigentlich, dass schriftliche Arbeiten zum Studium dazu gehören. Trotzdem rebellieren Sie möglicherweise innerlich dagegen. Wenn das auf Sie zutrifft, sollten Sie sich mit diesen Gefühlen auseinandersetzen. Nehmen Sie sich Stift und Papier und notieren Sie, was Ihnen zu folgenden Fragen einfällt:
- Erwarten bestimmte Personen von Ihnen, dass Sie Ihr Studium so bald wie möglich abschließen? Wenn ja, wie geht es Ihnen mit diesen Erwartungen?
- Hätten Sie lieber noch mehr Zeit, weil Sie sich in Ihrer aktuellen Situation wohlfühlen und noch keine Ahnung haben, was Sie danach machen wollen? Wenn ja, was fällt Ihnen ein, wenn Sie an die Zeit nach Ihrem Studium denken?
Wann Sie sich nach psychologischer Hilfe umschauen sollten
Schreibblockaden können harmlos sein, sie können aber auch auf eine Depression oder Angststörung hindeuten. Woran erkennen Sie aber, dass Ihre Schreibblockade tiefgehende Ursachen haben könnte?
- Wenn Sie monate- oder gar jahrelang mit Ihrer Abschlussarbeit nicht in die Gänge kommen und darunter leiden.
- Wenn Sie allein schon beim Denken an Ihre Uni-Arbeit Beschwerden wie zum Beispiel Übelkeit, Zittern oder Herzklopfen spüren.
- Wenn Sie in der Früh schwer aus dem Bett kommen und/oder massive Schlafstörungen haben und ihren Alltag nicht bewältigen können (zum Beispiel nicht nur Ihre Abschlussarbeit vernachlässigen, sondern auch nicht auf die Uni gehen, obwohl es notwendig wäre, und/oder die Kontakte zu Ihren Freunden deutlich reduziert haben, weil Sie sich nur mehr zurückziehen wollen).
Seien Sie mutig!
Es erfordert eine gute Portion Mut und Durchhaltevermögen, eine schwierige Situation zu ertragen. Hilfe anzunehmen, erfordert aber noch mehr Mut. Wenn Sie sich dazu entschließen, sich Hilfe zu suchen, können Sie stolz auf sich sein. Und noch besser werden Sie sich fühlen, wenn Sie Ihre Abschlussarbeit gemeistert haben!
Wo Sie Hilfe bekommen
Als erste Anlaufstelle kommt Ihr Hausarzt / Ihre Hausärztin oder auch (zumindest in Österreich) die Psychologische Studentenberatung in Frage. Um einen Psychotherapeuten / eine Psychotherapeutin zu finden, schauen Sie auf den verschiedenen Verbandsseiten (hier finden Sie zum Beispiel den Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie und die Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten). Auf Psyonline gibt es nähere Angaben zu den einzelnen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, wie z. B. Arbeitsschwerpunkte und freie Plätze mit voller Finanzierung oder Teilfinanzierung durch verschiedene Krankenkassen.
Dr. Emma Huber, Co-Autorin dieses Beitrags
Dr. Emma Huber arbeitet seit 1993 als Psychotherapeutin in freier Praxis in Wien. Sie unterstützt Studierende, die mit Schreibhemmungen kämpfen, beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Gemeinsam mit den Studierenden ergründet sie die Ursachen von Schreibblockaden (Angst, mangelnder Selbstwert oder auch unbewusste Konflikte etc.). Als Therapeutin weiß Emma Huber besonders gut, wie man mithilfe von Gesprächen Probleme anpackt.
Abbildungsnachweis:
Shutterstock.com: CursedSenses, Stockfoto-ID: 187335113