Am Limit – und jetzt noch die Bachelorarbeit schreiben?

Der Balanceakt zwischen Selbstfürsorge und dem Wunsch, das Studium abzuschließen

Nur mehr die Bachelorarbeit schreiben, dann ist es geschafft! Immer wieder kommt es allerdings vor, dass Studierende genau in diesem Augenblick keine Kapazitäten mehr haben. Sie sind erschöpft, es geht ihnen körperlich und/oder seelisch nicht gut und trotzdem möchten sie Bachelorarbeit oder auch Masterarbeit bzw. Dissertation „durchdrücken“.

 

 

So geht es auch Anna, die mir via Frag Huberta! folgende Nachricht zu ihrer Bachelorarbeit geschickt hat: 

 

Liebe Huberta,

 

seit über einem Jahr bin ich mit dem Studium „fertig“. Es fehlt „nur“ noch meine Bachelorarbeit. Im letzten Jahr hatte ich stark mit meiner Gesundheit zu kämpfen und ich hatte mehrere (Not-)OPs. Zusätzlich kam eine große familiäre Belastung durch eine sehr langfristige Erkrankung meines Kindes.

 

Ich arbeite Vollzeit, versuche Leben, Gesundheit und Familie zu stemmen. Ich funktioniere gerade noch so, bin aber am Limit.

 

Allerdings belastet es mich sehr, dass mein Studium noch offen ist, „nur“ wegen der Bachelorarbeit. Ich bin mir sicher, dass es mir guttun würde, wenn ich die noch schaffen würde. Es geht um das Gefühl, doch noch irgendetwas hinzubekommen und abschließen zu können. Aber es ist da auch die Angst, „das funktionierende System“ auch noch kaputt zu machen.

 

Ich hätte die Möglichkeit, die Arbeit für ca. 4 Monate deutlich zu reduzieren. Die gesundheitliche und familiäre Belastung kann ich aber nicht planen.

 

Was würdest du mir raten? Wie könnte ich es angehen?

 

Viele Grüße

Anna

Liebe Anna, zunächst möchte ich dir sagen, dass ich dich gut verstehe. Ich kann nachvollziehen, dass du dein Studium gerne abschließen möchtest. Du hast Zeit, Energie sowie viel Herzblut in dein Studium gesteckt, und das Ziel, der Abschluss, ist in greifbare Nähe gerückt.

 

Bevor ich meine Gedanken zu deiner Frage mit dir teile, würde ich gerne kurz zusammenfassen, was du geschrieben hast. Vielleicht ist es für dich hilfreich, das hier nochmals zu lesen.

Du kommst gerade so über die Runden. Du bist am Limit, du hast also deine physische(n) und psychische(n) Grenze(n) erreicht. Du hattest in der Vergangenheit mehrere Notoperationen und dein Kind ist erkrankt. So braucht es sicher mehr Zeit und Zuwendung von dir als ein gesundes Kind. Außerdem hast du einen Fulltime-Job.


Gleichzeitig gibt es einen Lichtblick: Du könntest ca. vier Monate lang weniger arbeiten. Da wäre also mehr Luft. Und nun fragst du dich, ob du diesen Freiraum für deine Bachelorarbeit nutzen könntest.

 

Ein paar Fragen an dich

Bachelorarbeit versus Erholung

Das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit ist für die meisten Studierenden keine erholsame Angelegenheit, sondern ein fordernder Prozess, der Druck und Unsicherheit erzeugt. Was denkst du: Wie wird es dir körperlich und seelisch gehen, wenn du die frei werdenden Stunden in deine Bachelorarbeit investierst? 

 

Kannst du dir vorstellen, deinen Job zu reduzieren und den Freiraum für Erholung zu nutzen? Wie fühlt es sich an, wenn du dir vorstellst, dass du demnächst soundsoviele Stunden pro Woche für dich hast, in denen du schlafen, in die Natur gehen, Sport machen oder andere schöne Dinge tun kannst, die dich stärken? Du stellst dir sozusagen dein eigenes „Reha-Programm“ zusammen, und zwar mit dem Ziel, dass es dir wieder gut geht und du deine Bachelorarbeit schreiben kannst. Wie ist das für dich?

 

Dein Fundament: Körper und Psyche

Aus meiner Sicht wäre es das Allerwichtigste, dass du wieder in die Balance und zu Kräften kommst. Wie lange das dauert, wissen wir beide nicht. Vielleicht ein, zwei Monate, vielleicht drei, vier oder auch länger. Körper und Geist sind dein Fundament, und das gilt es zu stärken, bevor du mit der Bachelorarbeit startest.

 

Ein paar Gedanken zum Schluss

  • Falls du denkst, dass dir eine externe Unterstützung guttäte, und es dir möglich ist, hole sie dir (Physiotherapie, Psychotherapie etc.). Wenn wir am Limit sind, brauchen wir ein unterstützendes Netzwerk.
  • Hole deine Betreuerin oder deinen Betreuer ins Boot. Erkläre deine Situation offen. Falls du jetzt deine Bachelorarbeit erst mal nicht schreibst, ist es gut, wenn sie oder er Bescheid weiß.
  • Informiere dich über eine mögliche Beurlaubung oder Pausierung des Studiums.
  • Prüfe, ob du einen Nachteilsausgleich beantragen kannst. Manche Hochschulen bieten Unterstützungsmaßnahmen für Studierende mit besonderen Belastungen.
  • Melde deine Bachelorarbeit erst an, wenn du dich stabil fühlst. Du hast einen Job und ein Kind, das dich braucht. Auch wenn es dir besser geht, wirst du vermutlich nur stundenweise an deiner wissenschaftlichen Abschlussarbeit schreiben können – langsam, aber stetig.
  • Schreibe bitte ein Exposé, wenn du loslegst, und zwar eines, das so aussieht, wie ich das hier erkläre!

 

Fazit: Es geht um Selbstfürsorge.

Raus aus der Erschöpfung und Schritt für Schritt zur Bachelorarbeit!

Du stehst vor einer großen Herausforderung: Es gilt, wieder in deine Kraft zu kommen! Deine Gesundheit hat oberste Priorität – und wenn du dir jetzt die Zeit zur Regeneration nimmst, kannst du später mit Energie an deine Bachelorarbeit gehen. Jetzt langsam wieder zu Kräften zu kommen, ist Teil des Projektes „Bachelorarbeit“, wenn du so willst. Vielleicht hilft dir dieser Gedanke.

 

Und so wichtig: Wenn du deine Bachelorarbeit jetzt nicht schreibst, bedeutet das nicht, dass du sie nie schreibst! Die BA aufzuschieben, bedeutet nicht das Ende – sondern die Chance, dich zu erholen und die Arbeit später mit mehr Energie oder vielleicht ja sogar im Wohlfühlbereich zu schreiben.

 

Alles Gute für dich, liebe Anna!

Weitere Tipps

Für alle, denen es ähnlich wie Anna geht, die sich müde, erschöpft und ausgelaugt fühlen und gerade ihre Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation schreiben möchten, habe ich hier noch ein paar Lesetipps:

Psychische Krisen und die Uni-Arbeit

So stärkst du deine freundliche Stimme beim wissenschaftlichen Arbeiten

Mitgefühl statt Selbstkritik

Selbstfürsorge: Einladung zu einem kurzen Check-in

 

Außerdem lade ich dich herzlich ein, meinen Newsletter zu abonnieren! Dann bekommst du in lockerer Folge Inputs für deine wissenschaftliche Arbeit und erfährst auch, wann die nächste Schreibgruppe startet.

 

Falls du schon beim Endspurt bist, findest du hier alle Infos zum Lektorat.

 

 

Veröffentlicht am 24.3.2025.

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