Eine Anleitung mit Praxistipps, damit du mit der Auswertung der Literatur für deine Uni-Arbeit gut vorankommst
Dieser Artikel ist etwas Besonderes! Die Schreibtrainerin und Schreibberaterin Katrin Miglar zeigt dir nicht nur, wie du richtig exzerpierst, sondern sie hat auch Beispiele von echten Exzerpten für dich! Du bekommst hier also Einblick in Schreibprozesse, die normalerweise eher im Verborgenen bleiben. Denn Exzerpte sind sonst ja Texte, die unseren PC oder unsere Ordner nie verlassen.
Warum Exzerpieren mehr ist als nur Herausschreiben von Zitaten
Meine Erfahrungen im Studium einerseits und als Schreibberaterin andererseits
Während meines Studiums habe ich oft Zitate aus der Literatur herausgeschrieben, sie umformuliert, zitiert und daraus meinen eigenen wissenschaftlichen Text entwickelt. Doch dieses oft ziellose Sammeln von Zitaten hat dazu geführt, dass ich sehr langsam vorangekommen bin. Über den vielen Quellen geriet ich nämlich ständig ins Stocken.
Kommt dir das bekannt vor?
Heute, als Schreibberaterin, weiß ich: Es gibt viel effektivere Wege, um Literatur zu verarbeiten und die Früchte der Lektüre in die eigene Arbeit einfließen zu lassen. Eine der besten Methoden ist für mich das Exzerpieren.
Was ist ein Exzerpt?
Exzerpieren klingt zunächst nach einem komplizierten Fachbegriff, ist aber eigentlich ganz simpel. Das Wort „Exzerpt“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „herauspflücken“.
Beim Exzerpieren geht es darum, Inhalte aus einer wissenschaftlichen Quelle herauszufiltern – sei es Definitionen von Fachbegriffen, direkte Zitate oder auch Informationen, die zur Forschungsfrage passen.
Exzerpte sind also Zwischenschritte, um Literatur auszuwerten und nicht in einer Fülle von Informationen unterzugehen.
Das Ziel ist dabei nicht nur, Inhalte aus Quellen zu übernehmen, sondern sie zu durchdenken, zu hinterfragen und gezielt zu sortieren: Welche Informationen sind für meine Fragestellung, Zielsetzung, Methode und Argumentation überhaupt nützlich?
Vielen Schreibenden fällt es leichter, diese komplexe Denkaufgabe schreibend zu lösen, da man sonst einen Knoten im Kopf bekommt (cognitive overload).
Ist es nicht ziemlich aufwändig, ein Exzerpt zu verfassen?
Ja, Exzerpte anzulegen bedeutet erst einmal mehr Aufwand. Das Großartige am Exzerpieren ist aber, dass es hilft,
- die Literatur besser zu verstehen,
- Klarheit auch für die eigene Argumentation zu gewinnen und
- den Überblick zu behalten.
Die eigenen Notizen entlasten den Schreibprozess und dadurch kommt man beim Schreiben leichter voran – es lohnt sich am Ende! Und keine Sorge: Exzerpte müssen nicht perfekt oder vollständig sein.
Nun zu den Beispielen!
Praxistipps mit echten Beispielen von Exzerpten
Ich habe vier Tipps mit authentischen Beispielen zusammengestellt, um dir zu zeigen, welche Techniken und Strategien andere wissenschaftliche Schreibende anwenden.
Über die Jahre haben mir Studierende und Forschende mit anonym zur Verfügung gestellten Exzerptbeispielen Einblick gewährt in sonst im Verborgenen liegende Arbeitsprozesse.
Schau rein und lass dich von den Strategien anderer Schreibender inspirieren!
Exzerptbeispiel Nr. 1
Tipp: Lies mit dem (sprichwörtlichen) Stift in der Hand.
Schon während des Lesens kannst du dir Notizen machen, entweder klassisch mit Stift und Papier oder digital mit der Markierfunktion und den Notizfeldern. Wichtig ist, dass zentrale Begriffe hervorgehoben, relevante Textpassagen unterstrichen und eigene Gedanken dazu notiert werden. Überlege dabei, wie der Text aufgebaut ist, was die Kernaussagen sind und welche Fragen die Lektüre für dich beantwortet oder vielleicht auch offenlässt.
Exzerptbeispiel Nr. 2
Tipp: Lege gut strukturierte Exzerpte für deine Hauptquellen an.
Bei besonders wichtigen Quellen lohnt es sich, strukturierte Exzerpte anzulegen. Schreibe dazu das Wichtigste heraus, zum Beispiel:
- Literaturangabe,
- deine Fragestellung und wie die Quelle zur Beantwortung beitragen kann,
- direkte und indirekte Zitate aus der Quelle,
- deine eigenen Gedanken, Kommentare und offenen Fragen.
Exzerptbeispiel Nr. 3
Tipp: Finde dein eigenes System im Umgang mit wissenschaftlicher Literatur.
Es gibt leider kein Patentrezept! Schreiben ist individuell. Vielleicht hast du in der Schule gemerkt, dass du dir Dinge besser merkst, wenn du sie aufschreibst? Probiere am Anfang Strategien aus, die schon in der Vergangenheit funktioniert haben, aber überlege, wie du deine persönlichen Strategien beim wissenschaftlichen Schreiben optimieren kannst. In diesem Beispiel wird analoges Schreiben mit digitalen Notizen auf einem iPad kombiniert.
Exzerptbeispiel Nr. 4
Tipp: Probiere einmal Excel für deine Exzerpte aus!
Überlege dir, wie du am liebsten arbeitest: lieber mit ausgedruckten Artikeln und Stift oder komplett digital? Viele Schreibende nutzen Excel oder Literaturverwaltungsprogramme, um ihre Exzerpte zu organisieren. Schau dir im nächsten Beispiel an, wie eine Studierende all ihre Exzerpte in einer Excel-Tabelle sammelt.
Exzerpt verfassen: Mein Fazit
Exzerpte anzulegen ist aufwendig, keine Frage (siehe dazu auch den Beitrag Exzerpieren: Sinnvoll oder Zeitverschwendung? von Huberta). Doch das Exzerpieren ist ein nützliches Hilfsmittel, um Literatur gezielt zu lesen, besser zu verstehen und übersichtlich zu verwalten.
Das Ziel ist, dass man sich dadurch besser darauf konzentrieren kann, den eigenen Text klar aufzubauen und eine eigene Argumentation zu entwickeln. Indem du Exzerpte verfasst, entlastest du dein Arbeitsgedächtnis – du musst nicht alle kognitiv anspruchsvollen Aufgaben auf einmal bewältigen.
Stattdessen kannst du Schritt für Schritt vorgehen: Zuerst die Literatur mit einer Leitfrage gezielt durchdringen, dann diese Erkenntnisse in deine eigene Argumentation einbringen. So gewinnst du ein Gefühl von Kontrolle und Klarheit über dein eigenes Schreibprojekt und kommst zügiger voran.
Literatur zum Nach- und Weiterlesen
Ahrens, S. (2017). Das Zettelkasten-Prinzip. Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen. Norderstedt: Books on Demand.
Buchner, P. (2015). Campus Deutsch: Deutsch als Fremdsprache. B2/C1. Schreiben (hrsg. von O. Bayerlein). Ismaning: Hueber.
Gfrereis, H. & Strittmatter, E. (Hrsg.) (2013). Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Marbacher Katalog 66 erscheint zur gleichnamigen Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne (Marbach am Neckar, 4. März bis 15. September 2013). Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft.
Kruse, O. (2015). Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium (2. Aufl.). Konstanz [u.a.]: UVK-Verl.-Ges.; Wien: Huter & Roth.
Schindler, K. (2011). Klausur, Protokoll, Essay: Kleine Texte optimal verfassen. Paderborn: Schöningh (UTB).
Werder, Lutz von (1994). Wissenschaftliche Texte kreativ lesen. Kreative Methoden für das Lernen an Hochschulen und Universitäten. Berlin/Milow: Schibri-Verlag.
Über die Autorin: Mag.a Katrin Miglar
Mag.a Katrin Miglar studierte Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Wien.
Seit 2015 begleitet sie am Schreibzentrum der FHWien der WKW Studierende beim Verfassen von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten. Ihre Interessens- und Arbeitsschwerpunkte sind Schreib- und Lesedidaktik, die Konzeption und Produktion von Open Educational Ressources sowie Schreiben als Kulturtechnik und soziale Praxis.
Schreibzentrum der FHWien der WKW
Veröffentlicht am 4.12.2024.
Abbildungsnachweis: Bild oben und Mitte (Frau mit Laptop): Shutterstock.com, Stock Photo ID: 2276430751, Roman Samborskyi. Bild unten (Katrin Miglar): Katrin Miglar