Zeit für die Dissertation finden

Wie finde ich Zeitfenster, in denen ich mich immer fix an meine Doktorarbeit setze?

Uhr und Kalender. Text: Zeifenster für die Dissertation finden

 

Folgende Frage hat mir Leonie gestellt: "Hallo Huberta, ich stehe gerade am Beginn meiner Dissertation bzw. bin ich gerade dabei, Literatur zusammenzutragen, zu sichten, das Inhaltsverzeichnis zu erstellen etc. Da ich berufstätig bin, ist es für mich etwas schwierig, ein geeignetes Zeitfenster zu finden, in dem ich mich immer fix dransetze. Hast du da Tipps für mich? Danke und liebe Grüße, Leonie"

 

Der erste Schritt: Das Exposé

Liebe Leonie, nun weiß ich zwar nicht, was du mit "Beginn [d]einer Dissertation" ganz genau meinst, möchte dir aber sagen, dass du auf jeden Fall zunächst ein Exposé schreiben solltest. So ein Exposé beinhaltet einen Fließtext, in dem du dein Forschungsvorhaben beschreibst, ein Inhaltsverzeichnis mit Seitenvolumina pro Hauptkapitel, ein vorläufiges Literaturverzeichnis und einen Zeitplan. Das vorab, weil es nicht selbstverständlich ist und an dieser Stelle dann oft hakt.

 

Okay, und nun zum Thema "Zeit"!

 

Zeit für die Dissertation finden

Es ist wirklich gut, dass du früh merkst: Eine Doktorarbeit und einen Job unter einen Hut zu bringen, ist nicht so einfach! Ich an deiner Stelle würde mir zunächst einmal genauer anschauen, welche Zeitfenster überhaupt für die Arbeit an der Dissertation infrage kommen und wie es mit meiner Energie aussieht.

  • Ich kenne Promovierende, die sich regelmäßig in der Früh, also noch vor dem Job, ein oder zwei Stunden an ihre Doktorarbeit setzen. Das bedeutet dann aber natürlich auch, dass sie ausgeschlafen sein müssen. Um sechs Uhr am Schreibtisch sitzen wollen und um Mitternacht ins Bett gehen, das spießt sich. 
  • Andere Doktorandinnen und Doktoranden schauen, dass sie sich werktags regelmäßig abends nach dem Job noch mit ihrem Schreibprojekt beschäftigen. Das muss dann natürlich nicht jeden Abend sein, aber mehrmals die Woche schon.
  • Andere wiederum arbeiten nur am Wochenende an ihrer Dissertation, wobei es hier wichtig ist, dass auch Zeit für Erholung bleibt. 

Und natürlich lassen sich diese drei Zeitmodelle, "Arbeit in der Früh", "Arbeit am Abend" und "Arbeit am Wochenende", miteinander kombinieren. Meistens ist das ein guter Weg.

Das könnte dann zum Beispiel so aussehen:

 

Montags, dienstags und donnerstags arbeite ich immer von 18:30 bis 20 Uhr an meiner Dissertation (fixe Zeitfenster). Zusätzlich arbeite ich entweder am Samstag oder am Sonntag noch einmal drei Stunden (flexibles Zeitfenster). 

 

Mein Rat: Schau doch mal, wann du überhaupt freie Zeitfenster hast und wie es da um deine Energie bestellt ist. Es bringt nichts, wenn du abends zwar Zeit für deine Dissertation hast, meistens aber eh schon müde oder gar ausgelaugt bist. Wenn du dann noch arbeitest, gehst du über deine Grenzen und brennst aus. Und das gilt es auf jeden Fall zu verhindern!

Berufsbegleitend promovieren: Dein Job und deine Freizeit

In Coachings erlebe ich immer wieder, dass Studierende sehr verzweifelt sind, weil sie neben dem Job keine Zeit für ihr Schreibprojekt haben. Wenn ich dann nachfrage, stellt sich manchmal heraus, dass sie weit mehr als vierzig Stunden arbeiten. Puh! Also, liebe Leonie, wie sieht das bei dir aus? Wie viele Stunden bist du berufstätig?

 

Wenn du neben deinem Fulltime-Job deine Doktorarbeit stemmen möchtest, solltest du auf jeden Fall darauf achten, dass du nicht laufend Überstunden machst. Noch besser ist es natürlich, wenn du deine Arbeitszeit vielleicht sogar während der Promotion reduzieren kannst.

 

Und ganz wichtig: Achte darauf, dass deine Freizeitaktivitäten nicht zu kurz kommen. Alles, was der Erholung dient, solltest du nicht in großem Umfang reduzieren. Besonders wichtig sind soziale Aktivitäten (Freunde treffen zum Beispiel) und Bewegung.

 

Mein Tipp: Denke schreibend über die Zeit für deine Dissertation nach

Schnapp dir Stift und Papier, mach es dir mit einem Kaffee oder Tee gemütlich und beantworte ganz in Ruhe folgende Fragen: 

  1. Wie viele Jahre stehen mir für meine Promotion zur Verfügung? Wie viele Jahre möchte ich mir nehmen?
  2. Wie viele Stunden arbeite ich durchschnittlich pro Woche in meinem Job? Passt diese Stundenzahl zu meinem Promotionsvorhaben. Ist das also wirklich in meinem Wunschzeitraum zu machen? Wenn nein, was müsste ich ändern?
  3. (Falls du Kinder hast:) Wie lassen sich Kinderbetreuung und Job miteinander vereinbaren, und zwar so, dass es allen gut geht?
  4. Wie sieht es mit Belastungen in meinem Leben aus? Gesundheitlich, seelisch?
  5. Bin ich eher morgens oder eher abends produktiv? 
  6. Wie ist es generell um meine Energie bestellt? Was tue ich, um meine Energiespeicher regelmäßig aufzufüllen?  
  7. Kann ich mir vorstellen, am Wochenende etwas für meine Promotion zu tun, oder fühlt es sich besser an, ausschließlich abends nach dem Job an der Dissertation zu arbeiten?
  8. Wie sieht meine ideale Arbeitswoche aus? Von wann bis wann wäre ich dann im Job, von wann bis wann würde ich mich wie viele Stunden mit meiner Dissertation beschäftigen?

 

Plane nicht im luftleeren Raum, sondern auf der Basis der Realität deines Lebens.

 

Beschäftige dich ruhig auch mal näher mit deiner idealen Arbeitswoche, also mit einer Woche, in der du voll im Job bist und nebenbei ein paar Stunden etwas für deine Dissertation tun kannst. 

   

Deine ideale Arbeitswoche inkl. Zeitfenster für die Dissertation

Wenn du die Fragen oben für dich beantwortet hast, würde ich an deiner Stelle mal ausprobieren, ob deine ideale Arbeitswoche auch tatsächlich klappt und (wichtig!) wie du dich dabei fühlst.

 

Womöglich ist deine ideale Arbeitswoche nämlich tatsächlich ein Ideal und hat wenig mit der Realität zu tun. Hier gilt es, Klarheit zu schaffen und ehrlich hinzuschauen.

Foto Huberta Weigl. Bezeichnet: Stell mir deine Fragen!

 

Vielleicht hast du ja Lust und beginnst mit dem Journaling. In deinem Journal kannst du deine Erfahrungen festhalten und schauen, was für dich funktioniert und was nicht.

 

Finde heraus, was zu dir und deinem Leben passt

Du kannst dir nach alledem nun sicher vorstellen, liebe Leonie, dass es vermutlich eine Weile dauern wird, bis du herausfindest, wie du Dissertation und Job unter einen Hut bringst und es dir dabei gleichzeitig gut geht.

 

Nimm dir diese Zeit, es lohnt sich. Und wenn du erst einmal einen Plan entwickelt hast, dann halte nicht starr an ihm fest. Es wird auch immer mal wieder vorkommen, dass du zu müde bist. In so einem Fall ist es besser, du erholst dich, statt dich zur Arbeit zu zwingen.

 

Also, fixe Zeitfenster zur Stärkung der Disziplin sind gut, Rigidität und Zwang sind nicht gut. Selbstfürsorge ist sehr, sehr wichtig, nicht nur kurzfristig, sondern auch dafür, dass du so eine lange Strecke wie die Arbeit an einer Dissertation gut zurücklegen kannst!

 

Apropos Müdigkeit

Schau doch mal, welche Arbeiten dich wie viel Energie kosten. Für mich zum Beispiel ist Schreiben sehr energieaufwändig, Literatur zu recherchieren kostet mich dagegen weniger Energie. Wenn es dir auch so geht, dann könntest du, wenn du abends schon ziemlich müde bist, beispielsweise noch ein wenig recherchieren und dann am Wochenende schreiben.

 

Höre auf deinen Körper und spüre immer wieder aufs Neue hin, was gerade gut für dich ist. Je besser es dir geht, desto besser wirst du auch mit deiner Dissertation vorankommen! Ich bin damals, als ich auf einer anspruchsvollen Assistentenstelle promoviert habe, jedenfalls total an mein Limit gekommen.

 

Abschließend möchte ich dich noch einladen, dir das Interview mit Adriana Förschner "Berufsbegleitend promovieren: Wie ist das zu schaffen?" anzuschauen. Auch der Blogartikel "Was es bedeutet, eine Doktorarbeit zu schreiben" könnte für dich anregend sein. 

 

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Verfasst am 28.4.2023.

  

Abbildungsnachweis: Bild oben (Bücher) Shutterstock.com, Bildnummer: 80988370, winnond; Bild Mitte (blauer Stift): Shutterstock.com, Bildnummer: 99852791, RealVector; Bild unten (Huberta Weigl): andrea sojka fotografie