Wie viele Quellen du für deine Bachelorarbeit oder Masterarbeit wirklich brauchst

Raus aus dem Mengendilemma, hin zum Bild des Konferenztisches

Wie viele Quellen brauche ich für meine Bachelorarbeit? Und wie sieht das bei einer Masterarbeit aus: Wie viele Quellen benötige ich da? Das sind Fragen, die ich immer wieder gestellt bekomme. Heute möchte ich darauf einmal ausführlich eingehen und dir einen Weg aus dem Mengendilemma aufzeigen!

 

Den Stand der Wissenschaft kennenlernen

Ich weiß, dass sich viele Studierende klare Mengenangaben wünschen, und manche Lehrende und Schreibcoaches geben sie (leider) auch. In meinen Augen zielt das aber am Kern dessen, was Wissenschaft ausmacht, vorbei.

 

Und das ist einfach schade!

 

Wenn du gerade eine Bachelorarbeit oder Masterarbeit schreibst, handelt es sich im Grunde um eine Übungsarbeit (siehe dazu auch die Beiträge Die Ansprüche an eine Bachelorarbeit und Die Ansprüche an eine Masterarbeit). Dabei gibt es ein paar wichtige Dinge, die du lernen und üben solltest – allen voran, wie Wissenschaft funktioniert.

 

Ein zentrales Prinzip des wissenschaftlichen Arbeitens ist, dass wir uns erst dann zu einem Thema äußern, wenn wir uns zuvor mit dem beschäftigt haben, was andere dazu bereits gesagt haben. Das bedeutet, dass wir – sowohl du als Studierende/-r als auch ich als erfahrene Wissenschaftlerin – den aktuellen Stand der Forschung kennen müssen.

 

Damit das möglich ist, müssen wir zuerst einmal eines: recherchieren!

  

Gezielte Recherche mit den geeigneten Instrumenten

Im Zuge unserer Recherche tragen wir (wichtig) nicht wahllos Literatur zusammen, sondern alles, was relevant ist. Das bedeutet, wir nutzen das Discovery Tool von großen wissenschaftlichen Bibliotheken und Datenbanken, primär Zeitschriftendatenbanken (mehr dazu in diesem Beitrag, den ich dir sehr ans Herz lege, wenn du nicht fit in der Recherche bist).

 

Wir müssen nämlich zu unserem Thema alles Wesentliche lesen, was andere dazu gesagt haben. Deshalb ist es übrigens gut, das Thema eng zu fassen! Je enger das Thema, desto überschaubarer die Literaturlage.

 

Wie viele Quellen brauche ich für meine Bachelorarbeit?

Wie viele Quellen soll ich in meiner Masterarbeit verwenden?

 

Mengenangaben als Antwort können hier in die Irre führen! 

 

„Für Ihre Bachelorarbeit brauchen Sie mindestens zwanzig Quellen.“ / „Mindestens dreißig Publikationen sind für Ihre Masterarbeit unbedingt notwendig.“ Angaben wie diese können dazu führen, dass Studierende tatsächlich lediglich zwanzig oder dreißig Quellen heranziehen, obwohl mehr für ihr Thema relevant sind. 

 

Hier ein Bild, damit du besser verstehst, was ich meine

Stell dir vor, ein Unternehmen entwickelt ein Schmerzmittel. Und die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten des Unternehmens beschließen, nur XY Publikationen zu lesen, weil ihnen irgendjemand gesagt hat: „Mindestens so und so viele Publikationen zitieren Sie bitte, dann passt es!“

 

Das geht natürlich nicht!

 

Vielleicht stresst dich das Ganze jetzt und du denkst dir: „Hey Huberta, aber wie soll ich denn dann genau vorgehen?“ Das kann ich verstehen. Daher habe ich ein weiteres Bild, das des Konferenztisches.

 

Wenn ich das in Coachings, aber auch in Workshops oder in meiner Schreibgruppe vorstelle, gibt es meistens ein großes Aha-Erlebnis.

 

Das Bild des Konferenztisches

Stell dir bitte Folgendes vor:

Wir, die wir gerade ein Thema bearbeiten, sitzen am Haupt des Tisches.

 

Selbstverständlich laden wir in unseren wissenschaftlichen Schreibprojekten alle an unseren Tisch ein, die Wichtiges zu unserem Thema gesagt oder publiziert haben.

 

Warum? Weil wir präzise arbeiten und niemanden übergehen möchten; zudem sind wir im besten Fall neugierig.

 

Dann eröffnen wir das Gespräch.

 

Es wäre ein No-Go, Sabine Huber, die Wichtiges zu unserem Thema geschrieben hat, nicht an den Tisch einzuladen, nur weil wir bereits zwanzig oder dreißig Publikationen beisammen haben. Ebenso wäre es übrigens ein No-Go, Mr Smith aus London nicht an den Tisch einzuladen, weil wir nicht so gut Englisch können.

 

Für unser Thema relevante Ergebnisse nicht zur Kenntnis zu nehmen, hieße, möglicherweise falsche Schlüsse zu ziehen.

 

 

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir vorstellst, dass du zu allen Kernpunkten deiner Bachelor- oder Masterarbeit kapitelweise andere Forscherinnen und Forscher an deinen Konferenztisch einlädst, schaust, was wer zu sagen hat, und das Gespräch moderierst.

 

Wenn du magst, kannst du deinen Tisch auch aufmalen, die einzelnen Forscherinnen und Forscher, die du ja namentlich kennst, an den Tisch setzen und zu jeder Person notieren, was wer sagt.


Für diese Übung genügt es übrigens, wenn du für den Tisch ein Rechteck und für die Forscherinnen und Forscher Kreise verwendest. Keep it simple!

 

Und nun ein Wort zu den Lehrenden.

    

Warum machen Betreuerinnen und Betreuer Mengenangaben?

Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht, ich kann nur Vermutungen anstellen.

 

Vielleicht, weil sie selbst zu wenig Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben haben?

 

Vielleicht, um dem drängenden Wunsch von Studierenden nach einem Patentrezept nachzukommen?


 

 

Ich kenne übrigens auch den Wunsch seitens Studierender nach klaren Vorgaben zur Länge des Literaturverzeichnisses oder nach der Zahl der Quellen pro Seite, worauf Lehrende ebenfalls manchmal mit präzisen Angaben reagieren.

 

Und übrigens arbeiten auch manche Schreibcoaches mit solchen Patentrezepten. Nicht gut! Warum? 

 

Die Konsequenz solcher Vorgaben: Eine vergebene Chance!

Bachelorarbeiten und Masterarbeiten sind wie zuvor erwähnt Übungsarbeiten, die von der Wissenschaft in den meisten Fachbereichen auch genau deshalb wenig oder gar nicht rezipiert werden (siehe dazu meinen Beitrag zu den Ansprüchen an eine Bachelorarbeit und an eine Masterarbeit). Bachelorarbeiten stehen in der Regel übrigens auch nicht in Bibliotheken auf. Niemand liest sie nach der Beurteilung.

 

Was genau aber gilt es eigentlich in einer Bachelorarbeit oder Masterarbeit zu üben oder unter Beweis zu stellen?

In einer Bachelorarbeit bzw. Masterarbeit sollst du unter anderem zeigen, dass du in der Lage bist, 

  • offene Fragen der Forschung zu erkennen.
  • Forschungsfragen zu formulieren.
  • mit den Methoden deines Fachs zu arbeiten.
  • ein Thema vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Literatur aufzurollen und kritisch zu beleuchten.

Du sollst zeigen, dass du verstanden hast, wie Wissenschaft funktioniert.

 

Kochrezepte mit fixen Mengenangaben für die Zutaten haben in der Wissenschaft nichts verloren

Mit Vorgaben wie: „Mindestens zwanzig Quellen“ oder auch: „Zwei bis drei Quellen pro Seite, dann passt es“ suggerieren Betreuerinnen und Betreuer, dass es eine Art Kochrezept für wissenschaftliche Arbeiten gibt. Man nehme dieses und jenes – und dann passt es. So ist es aber nicht!

 

Statt Kochrezepte auszugeben, sollten Lehrende vermitteln, was es wirklich bedeutet, wissenschaftlich zu arbeiten. Das Bild des Konferenztisches kann im Hinblick auf die Zahl der Quellen bzw. die Auswertung der Literatur meiner Meinung nach wirklich gut als Orientierung dienen.

 

„Wie viele Quellen soll ich für die Bachelorarbeit verwenden?“ / „Wie viele Quellen benötige ich für meine Masterarbeit?“

Falls du dir diese Fragen auch schon einmal gestellt hast, dann lass mich in den Kommentaren gern wissen, wie es dir jetzt nach dem Lesen des Blogartikels geht.

 

Und teile gern auch deine Erfahrungen mit dem Bild des Konferenztisches.

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Veröffentlicht am 29.10.2024 

 

Abbildungsnachweis: Bild oben und weiter unten (junge Frau mit Büchern): Shutterstock, Stock Photo ID 1917202478, RealPeopleStudio | Bild Mitte (ForscherInnen): Shutterstock, Stock Photo ID 742489267, ASDF_MEDIA | Bild unten (Tisch): Shutterstock, Stock Photo ID 297716051 (ohne Einzelnachweis, Stand: 18.10.2024)