Wenn Sie mich als Schreibcoach fragen, was ein Textfeedback bringt, dann antworte ich natürlich: "Jede Menge!" Auch ich selbst hole immer wieder einmal ein Feedback ein, vor allem wenn es um Texte zu meinem wissenschaftlichen Buchprojekt über den Barockbaumeister Jakob Prandtauer geht. Meine Feedbackleser in Sachen Prandtauer sind zum einen Freunde und Kollegen, die Kunsthistoriker sind, also fachlich etwas von der Thematik verstehen, und zum anderen eine meiner beiden Lektorinnen.
Ich gebe ihnen sowohl Texte, die meiner Meinung nach bereits rund sind, als auch solche, von denen ich weiß, dass noch Überarbeitungsbedarf besteht. Warum ich ein Feedback einhole? Weil ich davon überzeugt bin, dass es der Qualität meines Buches guttut. Dieses Jahr habe ich mich allerdings zweimal dabei ertappt, dass ich dem Ergebnis des Feedbacks nicht mit der nötigen Gelassenheit gegenübergetreten bin ...
Der Hintergrund meiner Ungeduld
Das Feedback hole ich ein, obwohl ich inzwischen ungeduldig bin.
Ich befinde mich nach zwanzig Jahren Arbeit mit der Prandtauer-Monografie auf der Zielgeraden. Ich möchte das Projekt endlich abschließen, zumal ich damit kein Geld verdiene und es mich
von meinen Kernaufgaben in der Schreibwerkstatt abhält.
Es gilt in den nächsten Wochen 900 (!) Seiten Manuskript abzuschließen und so vorzubereiten, dass der Verlag mit dem Setzen des Textes und der Bilder anfangen kann.
Mein Durchhänger
Während andere Urlaub machen und die Feiertage genießen, sitze ich oft an meinem Buch. So habe ich die Weihnachtsfeiertage
genutzt, um die Bildunterschriften fertig zu schreiben. Als dann Mitte Jänner im Austausch mit einem Kollegen klar
wurde, dass das Schema, nach dem ich die 850 (!) Bildunterschriften in wochenlanger Arbeit verfasst hatte, noch nicht ganz stringent war und ich sie inhaltlich und sprachlich würde
polieren müssen, war ich erst einmal richtig frustriert.
Ja, auch als Schreibcoach bin ich vor mentalen Durchhängern nicht gefeit. Letztendlich habe ich dann doch sehr rasch wieder Oberwasser bekommen und mich an die Arbeit
gemacht, die mich auch wirklich mehrere Tage und allerhand Nerven gekostet hat. Das Ergebnis war richtig gut: Die Bildunterschriften sind jetzt vom Aufbau her stringent und klar
formuliert. Glücksgefühl!
Hier ein Blick auf die Bildlegenden:
Weiter ging's mit der Chronologie – und mit Bauchweh
Die Abbildungslegenden standen und so ging's an die Chronologie, die ich bislang nur als Rohtext im PC hatte (ca. 35 Seiten Text, in dem unendlich viel Recherche steckt). Vor ein paar Wochen war ich mit dem Schreiben fertig und war sicher: "Da brauchst du ein Feedback!" Anders als bei den Bildlegenden war mir bei diesem Text von vornherein bewusst, dass er noch Ecken und Kanten hatte, also so nicht bleiben konnte. Bauchweh!
Den Gefühlen schreibend auf der Spur
Welche Gefühle unter dem "Bauchweh" steckten, wurde mir klar, als ich spontan alles in mein Tagebuch notiert habe, was mir zu dem Thema "Feedback zur Chronologie" in den Sinn gekommen ist. Das Ergebnis: Ich hatte das Feedback und die daraus resultierende Arbeit als Rückschlag bewertet. Es war mir so
vorgekommen, als würde ich im Arbeitsprozess zurückgeworfen, meinem Ziel nicht näherkommen, sondern mich im Gegenteil davon entfernen.
Schreibend wurde mir klar, dass das Gegenteil der Fall ist: Das Feedback bringt mich voran, weil ich danach weiß, welche Hebel ich bedienen muss, damit das Kapitel stimmig ist. Dem
Feedbackgespräch konnte ich dann mit großer Gelassenheit entgegengesehen und die Änderungen, die ich (wie erwartet) vornehmen musste, waren ruckzuck und ohne Durchhänger zwischendurch
eingearbeitet. Jetzt fehlt nur noch das abschließende Lektorat dieses Kapitels.
Hier ein Blick in die Chronologie:
Feedback einholen: So funktioniert es!
1 Scheuen Sie das Textfeedback nicht.
Abhängig davon, wie viel Schreiberfahrung Sie haben, holen Sie immer wieder ein Feedback zu Ihren Texten ein. Je ungeübter Sie sind bzw. je weniger Erfahrung Sie mit dem Texttyp haben, mit dem Sie sich gerade beschäftigen (Blogartikel, Uni-Arbeit, Belletristik etc.), desto eher lohnt es sich, andere um ein Feedback zu bitten.
2 Suchen Sie sich kompetente Probeleserinnen und -leser.
Überlegen Sie vorab, wer kompetent ist, Ihnen ein Feedback zu geben. Wenn es um inhaltliche Fragen geht, hilft mir das Feedback von Kolleginnen und Kollegen, die sich mit meinem Thema auskennen, am meisten. Wenn es um Fragen der Systematisierung geht, deren Abklärung für mein Buch immer wieder wichtig ist, ist fallweise auch meine Lektorin eine gute Gesprächspartnerin.
3 Sagen Sie den Probeleserinnen und -lesern, worauf sie achten sollen.
Geben Sie Ihren Probeleserinnen und -lesern einen klaren Auftrag, was Sie sich von ihnen erwarten: Möchten Sie ein inhaltliches Feedback? Geht es um den Aufbau oder um sprachliche Aspekte? Reden Sie vorab Klartext und haben Sie im Auge, dass es ein All-inclusive-Paket von Freunden nicht gibt. Niemand kann Ihren Text gleichzeitig unter mehreren Gesichtspunkten lesen – auch der beste und wohlmeinendste Freund nicht. Das ist schlicht nicht möglich, es sei denn, Ihr Text ist kurz. Je mehr Aspekte es zu beachten gilt, desto öfter muss ein Text gelesen werden.
4 Geben Sie auch unfertige Texte aus der Hand.
Geben Sie Ihre Texte nicht erst aus der Hand, wenn Sie Ihrer Meinung nach fertig sind, geben Sie auch unausgegorene Texte anderen zu lesen. Oft ersparen Sie sich so Schreibkilometer.
5 Und zum Schluss: Entwickeln Sie die richtige Haltung und seien Sie freundlich mit sich selbst.
Ein kompetentes Feedback bringt Sie immer voran – auch wenn Sie den Text danach nochmals kräftig überarbeiten müssen. Und um mit dem ersten Frust darüber klarzukommen, hilft zum Beispiel ein Tagebuch!
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